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Die schönsten Dinge

Die schönsten Dinge

Titel: Die schönsten Dinge
Autoren: Toni Jordan
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gesehen wurde, zum Teil sogar hier in Victoria.«
    Â»Das ist völlig lächerlich. Da kann unmöglich etwas dran sein«, sagt Carmichael.
    Â»Lass sie ausreden, Aldrich«, bittet ihn Daniel.
    Â»Ich weiß, dass es nicht sehr wahrscheinlich klingt«, sage ich. Wie in einer unbewussten Geste lege ich Daniel eine Hand auf das Knie. »Aber denken Sie nur an das Vietnamesische Waldrind. Es lebt an der Grenze zwischen Vietnam und Laos. Eine völlig neue Art, die Zoologen erst 1992 entdeckt haben. Und das ist kein kleines Tier. Es ist ein hundertzwanzig Kilo schweres Horntier, von dem wir vor zwanzig Jahren noch nichts wussten. Oder an das Okapi. Diese Kurzhalsgiraffe kennt die Wissenschaft erst seit 1901. Und das Chaco-Pekari, eine Schweineart aus Paraguay, galt bis 1975 als ausgestorben. Jetzt wissen wir von dreitausend Exemplaren.«
    Â»Dreitausend Schweinen«, wirft Carmichael ein.
    Â»Es sind nicht nur die Schweine. Was ist mit dem Hörnchenbeutler? Er galt bis 1961 als ausgestorben. Oder der Zentralaustralischen Dickschwanzratte? War fünfundzwanzig Jahre lang verschwunden und ist plötzlich wiederaufgetaucht. Den Gleithörnchenbeutler haben wir hundert Jahre lang für ausgestorben gehalten, bis 1989 einige Exemplare gesichtet wurden. Hundert Jahre. Er war wirklich verschwunden.«
    Â»Stimmt.« Daniel zuckt mit den Schultern. »Das ist schon etwas anderes, als kurz an der nächsten Ecke Milch zu holen, ohne jemandem Bescheid zu sagen.«
    Â»Die unterschiedlichsten Tiere wurden wiederentdeckt, nachdem sie als ausgestorben galten«, erkläre ich. »Man spricht dann vom Lazarus-Effekt. Das steht alles hier drin.« Ich klopfe auf den Tisch. »In meiner Bewerbung.«
    Â»Meine liebe Dr. Canfield«, setzt Carmichael an. »Giraffen, Schweine und, ähm, Rinder tun hier nichts zur Sache. Seit über siebzig Jahren hat niemand mehr einen lebenden Tasmanischen Tiger gesehen. Es gibt ihn nicht mehr.«
    Ich senke den Blick, als würde ich erst jetzt bemerken, dass meine Hand auf Daniels Knie liegt. Verschämt zucke ich zurück. Ich wechsle abrupt und etwas plump das Thema. »Professor Carmichael, haben Sie mal die Pyramiden gesehen?«
    Â»Was?«
    Â»Ã„gypten. Groß, spitz.«
    Â»Ich habe mein Leben der Wissenschaft gewidmet und bin nicht ziellos durch die Weltgeschichte gegondelt.«
    Â»Woher wissen Sie dann, dass es sie gibt?«
    Â»Das ist wohl kaum das Gleiche«, sagt Carmichael.
    Â»Das ist genau das Gleiche«, widerspreche ich. »Wissen Sie aus dem Fernsehen, dass es die Pyramiden gibt? Aber woher hat man so etwas früher gewusst? Vielleicht hat man mit Leuten gesprochen, die sie gesehen haben. Für den Tasmanischen Tiger gibt es Dutzende von Augenzeugen. Ich habe ein paar kurze Interviews, aber mit dem Geld der Stiftung könnte ich runterfahren und ausführlich mit den Leuten reden, die ihn gesehen haben. Vielleicht gibt es die Pyramiden auch nicht. Möglicherweise ist das eine einzige große Verschwörung, um … pyramidenförmige Sachen zu verkaufen.« Ich hole tief Luft, aber langsam verliere ich meine Sicherheit. »Wie diese komischen japanischen Wassermelonen.«
    Â»Oder Toblerone«, sagt Daniel Metcalf.
    Â»Schade, dass Sie das Geld nicht für Forschung über Wassermelonen wollen, ob aus Japan oder anderen Ländern«, sagt Carmichael. »Da hätten Sie überzeugendere Argumente. Wertschöpfung in der Landwirtschaft ist ein brandaktuelles Thema. Der Anbau von Wassermelonen, am besten mit geringerem Wasserverbrauch, wäre ein faszinierendes Forschungsgebiet. Wassermelonen könnten ein wichtiges Exportgut werden. Pyramidenförmig könnte man sie leichter verpacken. Der Transport würde billiger.«
    Â»Um die Wassermelonen geht es doch nicht«, sage ich. »Es geht darum, dass im Wilsons Promontory über dreißig Säugetierarten leben. Der Park umfasst über fünfzigtausend Hektar, die benachbarten landwirtschaftlichen Flächen noch einmal mehrere Tausend. Wir wissen nicht, was dort alles lebt. Meinem Antrag liegen solide wissenschaftliche Erhebungsmethoden zugrunde. Ich könnte ein paar Doktoranden mit einbinden und eine breit angelegte taxonomische Übersicht des gesamten Gebiets erstellen.«
    Â»Und was genau soll eine ›breit angelegte taxonomische Übersicht‹ sein?«, fragt Daniel Metcalf. »Tun wir mal einen Moment
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