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Die Schmetterlingsinsel

Die Schmetterlingsinsel

Titel: Die Schmetterlingsinsel
Autoren: Corina Bomann
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Kriegsendes gestorben war. Beatrice kannte sie nur von einem verblichenen Bild, das kurz vor Johannas Geburt angefertigt worden war. Diana hatte nie verstanden, warum Emmely, die kinderlos geblieben war, ihre Mutter nicht adoptiert hatte.
    Das Schlagen der Uhr im Wohnzimmer, ein Mitbringsel von Philipp aus Tschechien, das sie immer gehasst, seinetwegen aber toleriert hatte, erinnerte sie daran, dass Zeit verstrich und Flugzeuge nicht warteten.
    Obwohl Sorge in ihre Magengrube biss und ein unruhiges Zittern in ihren Gliedern tobte, schaffte sie es, in nur fünf Minuten angezogen zu sein. Ihre Kleiderauswahl war praktisch: Jeans, kurzärmelige Bluse, leichter dunkelroter Strickpulli für den Fall, dass das Wetter ungemütlich war. Ihre schwarzen Locken band sie zu einem Zopf zusammen, auf Make-up verzichtete sie diesmal. Die Übung, die sie durch viele Geschäftsreisen erworben hatte, versetzte sie in die Lage, ihr Gepäck in Windeseile zu packen. Viel nahm sie ohnehin nicht mit, eine Bluse zum Wechseln, ein Shirt, Zahnbürste. Ihren Laptop, das Notizbuch und natürlich Ladekabel und Akkus. In der Nachbarschaft von Tremayne House gab es ein kleines Dorf, das alles bot, was Radtouristen in der Gegend benötigten. Solange sie ihre Geldbörse und Papiere bei sich hatte, würde sie alles Wichtige bekommen.
    An der Tür blickte sie noch einmal auf das Chaos zurück, das sie hinterlassen hatte. Die Glasscherben glitzerten im Sonnenlicht wie Diamanten. Soll Philipp sie aufräumen, dachte sie und freute sich heimlich darüber, dass sie keine Nachricht hinterließ, wie sonst, wenn sie dringend wegmusste.
    Draußen stieg sie in ihren roten Mini, der ihr im dichten Berliner Stadtverkehr schon so manch guten Dienst erwiesen hatte, und befand sich wenig später auf der Stadtautobahn in Richtung Tegel.
    Etwa zur gleichen Zeit strebte Mr Green einem Buchregal zu, das im Arbeitszimmer des früheren Masters stand. Für den Fall ihres Ablebens hatte ihm seine Herrin strikte Instruktionen gegeben. Er sollte dafür sorgen, dass Diana es fand. Das Geheimnis.
    Er selbst kannte es nicht. In all den Jahren, die er bereits seinen Dienst auf Tremayne House versah, hatte er sich abgewöhnt, neugierig zu sein, wenngleich er zugeben musste, schon an seinem ersten Tag hier gespürt zu haben, dass das Haus etwas verbarg. Das Gefühl hatte ihn bis heute nicht verlassen. Und wer weiß, vielleicht wurde er, wenige Jahre vor seiner Pensionierung, noch Zeuge einer atemberaubenden Enthüllung.
    In das Puzzle der Hinweise hatte Mrs Woodhouse ihn schon vor einem Jahr eingeweiht. Damals hatte sie bereits geglaubt, der Engel des Todes würde vor ihrer Tür stehen. Doch Gott hatte ihr Zeit eingeräumt, genug Zeit, um die Spuren zu legen. Hier ein Bild, dort ein Brief in einem Buch, das natürlich zufällig in der Umgebung der Betreffenden auftauchen müsste. Es wird ihr helfen, über die Zeit nach mir hinwegzukommen, hatte Madam gemeint. Obwohl Diana sich seit Jahren nicht hatte blicken lassen, hatte Mrs Woodhouse doch nie an der Liebe und Loyalität des Mädchens gezweifelt, das in ihrem Herzen den verwaisten Platz der Enkeltochter eingenommen hatte.
    Vor dem Buchregal suchte Mr Green nach einem ganz bestimmten Titel. Seit dem Tod der alten Mistress Deidre, der Mutter von Emmely Woodhouse, hatte man die Reihenfolge der Bücher nicht geändert. Nicht einmal im Krieg, der auch hier alles auf den Kopf gestellt hatte, war auch nur ein Buch anders hingestellt worden.
    Ah, da war es! Grüner Einband, verblichene goldene Schrift. Ein Buch, das wie zufällig an diesen Platz gestellt wirkte. Doch wenn man das Muster kannte, sprang es einem deutlich ins Auge. Für den Fall, dass die Besucherin zu traurig war, um klar denken zu können, zog er es ein Stück vor, nicht mal einen Finger breit. Das Geräusch, das dabei ertönte, hörte sich wie das erleichterte Stöhnen eines Sterbenden an, der endlich auf die andere Seite wechseln durfte.
    Mr Green zog die Hand zurück und betrachtete zufrieden sein Werk. Wenn das Nachmittagslicht durch die hohen Fenster fiel, sei es auch trübe, würde dieses Buch nicht mehr zu übersehen sein.

Seine Ankündigung, sie nicht im Regen stehen lassen zu wollen, hatte Mr Green anscheinend wörtlich gemeint, denn als die Maschine aus Berlin in Heathrow landete, verschwand London unter dicken Regenwolken, die den Tag zum Abend machten. Aus leichtem Niesel wurde ein Gewitter; dicke Regentropfen prasselten auf den Flughafen und gegen die
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