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Die Schlucht

Titel: Die Schlucht
Autoren: Colin Forbes
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grinste über sein rundliches Gesicht. »Nur für den Fall, dass wir uns verlieren sollten: Sie müssen hinaus auf die Hauptstraße fahren und dort rechts abbiegen. Mein Haus ist dann in der dritten Querstraße links. Sie erkennen es unschwer an der roten Metallabdeckung über dem Kamin …«
    »Nur für den Fall, dass wir uns verlieren sollten«, äffte Tweed Humble nach. »Hält sich der für einen Rennfahrer, oder was?«
    Er hatte noch nicht den Wagen angelassen, da fuhr der Mercedes auch schon an ihm vorbei und raste mit laut aufheulendem Motor die Straße entlang.
    »Haben Sie das gesehen?«, fragte Paula.
    »Was denn?«
    »Haben Sie es denn nicht gesehen? Er hat weiße Krepppapierbänder an den Mercedesstern und die Antenne gebunden. Sieht aus, als käme er gerade von einer Hochzeit.«
    »Der hat sie doch nicht mehr alle …«
    »Oder er ist einfach nur clever. Sehen Sie nur, was er macht.«
    Der Mercedes war bereits an der Hauptstraße, wo im dichten Verkehr ein Auto am anderen fuhr. Humble hupte und winkte dem Fahrer eines Wagens freundlich zu, woraufhin dieser abbremste und ihn in die Hauptstraße einfahren ließ, obwohl er Vorfahrt hatte.
    »Der tut so, als wolle er eine Braut abholen«, sagte Tweed anerkennend. »Nicht dumm.«
    Ihm selbst erging es an der Kreuzung zur Hauptstraße nicht so gut. Als sich endlich eine Lücke im Verkehr auftat und sie abbiegen konnten, war der Mercedes längst aus ihrem Gesichtsfeld verschwunden.
    »Gut, dass er uns den Weg beschrieben hat«, meinte Paula und zählte die Querstraßen. »Da vorn müssen Sie abbiegen. Salty Close.«
    »Seltsamer Name für eine Straße.«
    »Sehen Sie, da vorn ist sein Haus - das einzige mit einer roten Metallabdeckung am Kamin. Und da steht auch der Mercedes.«
    Die beiden parkten den Audi hinter Humbles Wagen, stiegen aus und gingen zur Haustür, an der übereinander drei verschiedene Klopfer angebracht waren.
    »So ein Spinner«, murmelte Tweed. »Suchen Sie sich einen aus.«
    Paula entschied sich für den mittleren Klopfer und hatte ihn gerade auf das dicke Eichenholz der Tür fallen lassen, als sie hörten, wie innen zwei Schlösser aufgesperrt und Riegel zurückgeschoben wurden. Dann ging die Tür auf, und ein breit grinsender Hector Humble winkte sie herein.
    Er trug jetzt eine Brille mit dicken Gläsern, die ihn noch seltsamer aussehen ließ als zuvor. Nachdem er sie sich auf die Stirn geschoben hatte, blinzelte er Paula aus seinen schmalen Augen verschmitzt an.
    »Sie haben geklopft, nicht wahr? Das war ein richtig sanftes Frauenklopfen, nicht das Bumm-Bumm-Bumm, das Männer gern veranstalten. Sie glauben ja gar nicht, was so ein Klopfer einem alles über die Menschen verrät. Aber kommen Sie doch herein«, sagte er freundlich. »Die Brille brauche ich zum Arbeiten, denn da kommt es auf winzige Details an. Ich habe mir schon die Fotos von den beiden Leichen vorgenommen.«
    Nachdem er die Haustür wieder verschlossen hatte, führte er sie einen dunklen Flur entlang in ein großes Zimmer. Als Paula die langen Holztische mit den ungewöhnlichen Utensilien und die lebensgroßen Holzköpfe im Regal an der Wand sah, überlief sie ein leiser Schauder. Durch ein großes Oberlicht an der Decke des Raums fiel genügend Licht herein, um alles gut erkennen zu können.
    »Hier arbeite ich«, erklärte Humble, der über seinem Anzug jetzt einen kurzen weißen Laborkittel trug.
    »Darf ich mich hier ein bisschen umsehen?«, fragte Tweed. »So etwas habe ich wirklich noch nie gesehen.«
    »Tun Sie das«, erwiderte Humble und nahm Paula sanft am Arm. »Hier, setzen Sie sich. Das ist der bequemste Stuhl, den ich habe.«
    Als Paula saß, ging er zu einem großen Schrank und öffnete ihn. Darin befand sich eine Reihe von aus Holz geschnitzten Frauenköpfen in den unterschiedlichsten Formen und Größen. Humble holte einen von ihnen heraus und betrachtete ihn eingehend, bevor er ihn mit einem raschen Kopfschütteln wieder zurückstellte und nach einem anderen Modell griff. Paula beobachtete interessiert, wie Humble den Kopf auf einen Sockel im Regal stellte und einen weiteren Schrank öffnete, in dem sich eine riesige Sammlung von Perücken in den unterschiedlichsten Haarfarben und -längen befand. Humble wählte eine aus mit langen pechschwarzen Haaren, die er sorgfältig bürstete und dann dem Holzkopf im Regal aufsetzte.
    Aus einem dritten Schrank mit Schminkutensilien nahm er ein Rouge, überprüfte kurz die Farbe und tupfte es langsam auf die Wangen
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