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Die Schattenträumerin

Die Schattenträumerin

Titel: Die Schattenträumerin
Autoren: Janine Wilk
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Steuern.«
    Rafael drückte sich noch tiefer in den Schatten hinter der Skulptur. Sein Herzschlag wurde zu einem panischen Wummern, das gleich einem Erdbeben seinen Körper zum Erzittern brachte. Er hatte das Gefühl zu ersticken und seine Brust hob und senkte sich immer schneller.
    Dann, nach quälend langer Zeit, die sich für Rafael zu einer Ewigkeit ausdehnte, entfernten sich die Schritte wieder Richtung Ausgang.
    Zur Sicherheit wartete Rafael noch einige Minuten, dochvon dem Händler war nichts mehr zu hören, die Baustelle lag wieder in einem tiefen Schlaf. Schließlich stieß er erleichtert die Luft aus. Der Händler hatte die Jagd nach ihm aufgegeben!
    Rafael trat hinter der Statue hervor, lehnte seinen Kopf gegen die Wand und schloss dankbar die Augen. Erst nach und nach verließ die Anspannung seinen Körper. Nun musste er nur noch eine Zeit lang hier ausharren. Mit etwas Glück war er schon bald wieder zu Hause und in Sicherheit. Warum hatte Sofia ihm das nur angetan? Sie musste doch gewusst haben, in welche Schwierigkeiten sie ihn damit bringen würde! Wut kochte in Rafael auf. Wenn er Sofia in die Finger bekam, konnte sie was erleben!
    Ein Geräusch ließ ihn erneut zusammenfahren. Doch es waren nicht die Schritte des Händlers, es klang eher wie … das Knirschen von Stein. Rafael blickte sich suchend um. Es war nichts zu sehen. Alles schien genauso zu sein wie vorher. Bis auf … Entsetzt schnappte Rafael nach Luft.
    Die Statue hatte ihm den Kopf zugewandt!
    Die Spitze der Pestmaske war wie ein Fingerzeig auf ihn gerichtet und aus dem Dunkel der Maske fixierten Rafael zwei kalte schwarze Augen.
    Wie gefrierendes Eis kroch das Grauen über seinen Körper und ließ ihn erstarren. Ungeschickt taumelte er rückwärts, stolperte und fiel zu Boden.
    Vielleicht war es gar keine Statue gewesen, in deren Schatten er sich gekauert hatte?, suchte Rafaels Verstand krampfhaft nach einer Erklärung. Möglicherweise war es ein ganz normaler Mann, der verhüllt durch Umhang und Maske inperfekter Bewegungslosigkeit verharrt hatte? Aber Rafael hatte die harten Kanten und den kühlen Stein der Skulptur gespürt!
    Doch es gab keinen Zweifel: Die Statue lebte. Mit weit aufgerissenen Augen sah Rafael, wie sich ihre Hand hob und sich dieses … dieses Wesen zu ihm herabbeugte. Die Hand legte es schwer auf seine Schulter.
    »So voller Angst, so angefüllt von Furcht. Und dabei so ein reines Herz«, krächzte er. Die Stimme jagte Rafael einen Schauer über den Rücken. Sie klang, als käme sie aus den Tiefen einer dunklen Höhle.
    Das Wesen legte den Kopf schräg, ohne Rafael dabei aus den Augen zu lassen. »Wirst du gar das erste Opfer des Fluchs?« Ein schmatzendes Geräusch erklang hinter der Maske. Rafael wollte zurückweichen, doch die Hand des Wesens klammerte sich unnachgiebig in seiner Schulter fest.
    »Sind … sind Sie der Mann, der den Fluch über Venedig ausgesprochen hat?«
    »Ich? Oh nein.« Das Wesen schüttelte langsam den Kopf. »Ich bin der Fluch!«
    Fassungslos starrte Rafael in das von der Maske verdeckte Gesicht. Die Worte des Wesens klangen zu fantastisch, zu fern jeder Realität, als dass er es hätte glauben können. Doch zugleich spürte er mit jeder Faser seines Körpers, dass das Wesen vor ihm nicht aus Fleisch und Blut war. Es war kein Mensch.
    Rafael stöhnte. Seine Schulter, auf der die Hand des Wesens ruhte, fühlte sich an, als würde sie in einem Schraubstockstecken. Die Hand sah aus wie die eines Menschen mit feingliedrigen Fingern – trotzdem spürte Rafael, wie sich spitze Krallen von tödlicher Schärfe in seine Schulter bohrten.
    Das Wesen beugte sich noch tiefer zu ihm herunter, bis die Spitze der Pestmaske Rafaels Hals berührte. »So unschuldig, so rein, voller schmackhafter Angst…«, murmelte das Wesen, während es begierig seinen Geruch aufsog.
    Rafael schrie auf. Er spürte, wie sich sein Hemd rasend schnell mit einer warmen Flüssigkeit vollsog. Blut. Die unsichtbaren Krallen des Wesens hatten sich tief in sein Schulterblatt gegraben.
    »Ich war zu lange in meiner Welt gefangen … bin zu hungrig …«
    Das Wesen lockerte seinen Griff und gab Rafaels Schulter frei. Doch nur, so erkannte Rafael schlagartig, um im nächsten Moment nach seiner Kehle zu greifen. Sein Körper reagierte instinktiv auf diese winzig kleine Chance. Im Bruchteil einer Sekunde, in der ihn das Wesen nicht berührte, sprang Rafael in die Höhe, drehte sich strauchelnd um und rannte, so schnell ihn
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