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Die Schatten von La Rochelle

Die Schatten von La Rochelle

Titel: Die Schatten von La Rochelle
Autoren: Tanja Kinkel
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die gleiche Größe haben mußten, denn sie konnte ihr direkt in die Augen sehen, während sie sich näherte. Dann b e merkte sie m it dem geübten Auge einer Zofe, die an Annettes prächtige Roben gewöhnt war, daß die Herzogin offensichtlich weniger Wert auf P r unk denn auf Haltbar k eit le g t e, denn an ihr Kleid waren keine Juw e len genäht, die ihm Glanz verliehen hätten, die Reinigung aber un g eheuer er sc hwerten. Gleichwohl, der schwarzglänzende S t off war gutes Material, Satin wahrscheinlich. F ü r i h r Haar b r au c hte s ie wir k lich eine Zo f e, stellte Charl o tte fest. Es war glatt und dunkel wie ihre Augen, ganz gegen die Mode ohne auch nur die kleinste eingebrannte Locke, und statt in der Mitte gescheitelt, trug sie es nach hinten gekäm m t, so daß es fast wie der Schleier einer Nonne wirkte. Der Ha a rreif allerdings bestand aus sehr wertvoll aussehenden Perlen, und C harlotte m ußte eingestehen, daß diese a lt m odische F r i s ur, die d as Gesicht v öllig f r e i ließ, seine Schönheit betonte: die hohen W ang e nknochen, die gerade, lange Nase und die kräftigen, geschwungenen Augenbrauen.
    Sie hatte Zeit für all diese Beo b achtungen, weil die Herzogin sie ebenfalls sehr ausführlich und schweigend m i t ihren seltsa m e n schwarzen Augen m us t erte. Charl o ttes eigene schim m erten in einem war m en Br a un, und sie hatte bisher noch nie je m anden m i t wirklich schwarzen Augen gesehen. Es war beunruhigend, von ihnen derartig fixiert zu werden, weswegen sie ihre Betrachtungen über die Erscheinung der Herzogin fortsetzte. Sie wollte jetzt nicht darüber nachdenken, ob dieser lange starre Blick bedeutete, daß die Herzogin sie nicht m o chte.
    »Es ist gut«, sagte die Herzogin s c hlie ß lich u n d nickte Le Val zu.
    »Du kannst gehen.«
    Als Le Val die Tür vorsichtig hinter sich geschlossen hatte, schaute sie wieder zu Charlotte. »Le Val hat m ir erzählt, daß du die Zofe von Annette d’ E l beuf warst.«
    »Ja, Madame«, erwiderte Charlotte, die annah m , daß eine Bestätigung von ihr erwartet w urde. Die H e rzogin wartete, doch Charlotte sprach nicht weiter. Das Mädchen zuckte allerdings zusammen, als ein gelbbraun getigertes Etwas a u f den Tisch sprang. Seine Herrin setzte sich, nahm es auf den S c hoß und begann, es zu streicheln, worüber Charlotte unwillkürlich fasziniert war. Sie hatte noch nie eine zah m e Katze aus nächster Nähe gesehen; die Da m en, die sie kannte, hielten, der Mode entsprechend, Schoßhunde.
    »Ich habe Annette d’ E l beuf in den let z ten Ja hr en gelege n tlich zu Gesicht bekom m en«, sagte Marie de Vignerot m it gleichbleibend kühler Stim m e. »Ihre äußere Ersch e inung ließ nichts zu wünschen übrig. W eswegen bist du also entlassen worden ? «
    Charlotte biß die Zähne zusammen. » W egen Scha m losigkeit und Unzucht«, entgegnete sie tonlos. W e nn die Herzogin überrascht oder e m pört war, so ließ sie es sich nicht an m erken. »Hast du noch etwas hinzuzufügen ? « erkundigte sie sich sachlich.
    Es würgte sie in der Kehle, aber Charlotte schüttelte den Kopf und brachte schließlich ein »Nein, Mad a m e«, heraus. Sie hatte nicht die Absicht, sich zu verteidigen, ob w ohl sie es hätte tun können. Aber die Erinnerung an das, was ihre letzte Verteidigung ihr eingebracht hatte, brannte noch auf i hren Schultern. Schlim m er jedoch war Annettes aufgebrachte, schrille Stim m e, die in ihrem Kopf widerhallte.
    »Du Hure, du wagst es, zu behaupt e n, er hätte dich vergewaltigt? Du hast ihn in dein Bett gelockt, meinen Verlobten, du undankbare kleine Schlampe…«
    Bis zu diesem Mo m ent hatte sie wirklich geglaubt, was Annette ihr während ihrer beider Kindheit i mm e r wieder versichert hatte: Du bist nicht meine Dienerin, Charlotte, du bist meine Freundin. Wir sind fast wie Schwestern. S ie hatte wirklich angeno mm en, Annette würde ihre Partei ergreifen und sie vor dem jungen Enghien beschützen. Etwas in ihr hatte sich sogar d a nn noch daran geklam m ert, als sie gestäu p t wurde, bis sie endgültig begriff, daß sie für die Fa m ilie d’Elbeuf, einschließlich Annette, nur eine Dienerin von vielen war, weniger als ein Nichts, ein Spie l zeug höchstens, das m an besser los wird, wenn es anfängt, lästig zu werden.
    Schließlich hatte die Herzogin von Elbeuf sie einst als kleines, hei m atloses Kind aus den Pariser Straßen nur deshalb aufgelesen, weil die kleine Annette sie gesehen hatte und als Spielge
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