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Die Schatten von La Rochelle

Die Schatten von La Rochelle

Titel: Die Schatten von La Rochelle
Autoren: Tanja Kinkel
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Es hatte eine Zeit geg e ben, in der er geglaubt hatte, den Mann nur als Minister e r tragen zu können. Dann hatte er festgestellt, daß er m ehr und m ehr auch m it sei n en persönlichen Sorgen zu ihm ka m , m it den Schwierigkeiten, die ihm sein Bruder, seine Schwestern, s eine Mutt e r, s e i n e Ge m ahlin m achten. Er wußte ni c ht, ob er dem Kardinal das übelnah m , oder ob er ihn deswegen noch höher schät z te.
    »Mir ist zu Ohren gekommen«, begann er zögernd, »daß M onsieur le Grand sich in Versailles aufhält.«
    »Auch ich habe davon gehört«, sagte der Kardinal neutral.
    Louis starrte auf den S t apel Doku m ente, die vor ihm lagen. »Es steht zu hoffen, daß er sein eigensinniges Verhalten inzwischen bedauert. Ich würde m i ch freuen, wenn d e m so wäre«, fuhr er fort. Der Teil von ihm, der Abneigung gegen den Kardinal e m pfand, begann, sich s tär k er zu rüh r en. W ie deutli c h m ußte er noch werd e n? Manc h m al hatte er das Gefühl, der Kardi n al brächte ihn in solchen Fällen absic h tlich s o weit, sich zu einer Bitte zu de m ütigen.
    Richelieu stand auf. »Ich bin siche r , daß dem so ist«, entgegnete er.
    »Entschul di gt m ich bitte einen Mo m ent, Si r e.«
    Louis blieb sitzen, hörte die Sch r itte des Kardinals und seiner W a chen, die ihn überallhin, außer in Gegenwart des Königs, begleiteten, und sann ü ber die Beziehungen zu seinem Günstling und seinem Minister nach.
    Er hatte v o r einig e r Z e it ö ff entlich g e sagt, Gott möge verh ü t e n, daß in seinem Haus der Ehebruch Einzug halte, und hinzugefügt, ein König habe die Pflicht, sein Leben so makell o s zu gest a lten, daß all seine Untertanen sich daran ein Beispiel neh m en könnten. Er hatte es so ge m eint. Es wäre ihm nie in den S i nn gekom m e n, seine unsterbliche Seele dadurch zu gefährden, daß er m it Cinq Mars die Sünde beging, um derent w illen Gott einst Sodom und Go m orrha in Feuer und Asche erstickt hatte. Nicht m it C i nq Mars, nicht m it Saint Simon vor ih m , nicht m it Luynes vor diese m . Selbst wenn er sich durchaus im klaren darüber war, d a ß er Cinq Mars liebte, handelte es sich doch u m , so sagte er sich, die brüderliche Liebe, die es zwischen David und Jonathan gegeben haben m uß t e. Mein Bruder Jonathan, deine Liebe zu mir war süßer als die einer Frau.
    Aber die schöne Gewißheit, seine S eele vor den Qualen der Hölle zu r e tten, h a lf ihm wenig bei d en Ei f ersuchtsqu a len, die e r d urchlitt, wenn er an Cinq Mars in den A r m e n Marion de Lo r m es dachte. Die Eheschließ u ng Saint- S imons hatte seinerzeit d as Ende ihrer Beziehung bedeutet, doch dies m al hatte er f e stgestellt, daß er es nicht fertigbrachte, s ich von Ci n q Mars zu trennen. Er hatte schon daran gedacht, Marion de Lorme aus dem K önigreich zu verbannen, aber die Furcht dav o r, sich lächerlich zu m achen, hatte es verhin d ert. Deswegen hatte er sich auch nicht erweichen lassen, als es um das Ko mm ando über den Konvoi ging; noch nie hatte irgendeiner seiner Günstlinge dera r t wichtige Au f gaben übernom m en, denn er wollte nicht, daß m an über ihn redete w i e über seine Mutter und ihre Favoriten.
    Der Gedanke an seine Mutter brachte ihn wieder auf den K ardinal. Er wußte nicht, ob es der W ahrheit entsprach, daß sie nach dem Tod ihres geliebten Concini, als er, Loui s , sie nach B l ois v erban n t hatte, den ehrgeizigen jungen A r m and du P l essis de Richelieu, B ischof von Luçon, zu ihrem Geliebten g e m acht hatte, und er wollte es auch nicht wissen. Ihn schauderte bei dem Gedanken. Doch der Haß, den seine Mutter später dem Ka r dinal ge g e n über entwickelt hatte, mochte da m it zu tun h aben… Auf alle Fälle, d achte er s chlecht g e launt, wäre er nicht bereit, für die Keuschheit des Kardinals di e Hand ins Feuer zu legen.
    Zu m i ndest konnte der boshafte Klatsch über den Kardinal und seine eigene G e m ahlin nicht stim m e n. Anne haßte den Kardinal, das wußte er nur zu gut, und anders a l s seine Mutt e r hatte sie i h n immer gehaßt. S i e hatte sich m ehr als ein m al an Verschwörun g en gegen Richelieu b e teiligt.
    Aber er wollte jetzt, wo seine Versöhnung m it Cinq Mars wahrschei n lich u n m ittel b ar b evorstand, n icht über die Königin nachdenken. Er hatte nie verstanden, wie sie in den m e hr als zwanzig Jahren ihrer Ehe, im Laufe derer e r m ehr als de u t lich hatte werden las s en, wie sehr er sie verabsc h eute, im m er
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