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Die Saga vom Eisvolk 05 - Todsünde

Die Saga vom Eisvolk 05 - Todsünde

Titel: Die Saga vom Eisvolk 05 - Todsünde
Autoren: Margit Sandemo
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Dunkelheit und Radau geliebt. Ihr wären die Wegelagerer sicher willkommen gewesen, allein um ihre wundersame Macht über sie auszuüben. Aber Cecilie besaß nicht des Eisvolkes Macht, obwohl sie doch dazu gehörte. Sie konnte sich auf nichts weiter verlassen, als allein auf ihre jämmerlich kleine Gestalt. Dennoch wußte sie, wie sich eine Dame zu benehmen hatte. Bei Hofe war sie mit jeder Faser ihres Körpers stets ganz Dame. Nur zu Hause bei ihrer liebenswürdigen, warmherzigen Familie konnte es geschehen, daß sie sich etwas gehen ließ.
    Aber daß sie sich dem Pastor in die Arme werfen konnte. Cecilie senkte den Kopf - wie eine beschämte Schülerin vor ihrem Lehrer, oder wie ein Hund, der sich mit eingeklemmtem Schwanz verkriecht. Sie schämte sich abgrundtief über ihr Betragen unten im Schuppen beim Kirchhof!
    Der einzige Trost war, daß es Herr Martinus war, der die Initiative ergriffen hatte. Hätte er sie nicht berührt, verführerische Worte von Einsamkeit und Sehnsucht geflüstert, dann wäre es niemals geschehen.
    Aber das war ein schwacher Trost. Sie war willig, ach, so willig gewesen!
    Cecilie kam das erste Stück Weges am Hafen glimpflich davon. Lediglich ein paar Freudenmädchen riefen ihr gehässig zu, sich aus ihrem Revier fernzuhalten. Die Scherereien begannen erst an der letzten Straßenecke vor dem Kopenhagener Schloß.
    Die Straße, die sie vor dem Schloß überqueren mußte, schien von einem lautstarken Haufen lichtscheuer Gestalten bevölkert zu sein. Vagabunden, Trunkenbolde, Straßenmädchen und Verbrecher hatten mitten auf der Straße aus Stroh ein Feuer entfacht, an dem sie sich wärmten und über die Ungerechtigkeit des Lebens fluchten. Cecilie zögerte, aber sie mußte an ihnen vorbei. Das Herz schlug ihr bis zum Hals, als sie versuchte, sich so unsichtbar wie möglich zu machen und in raschem Tempo vorüberzueilen. Weit vor sich erahnte sie den offenen Platz vor dem Schloß. Dort leuchteten andere Feuer, dort befanden sich Pferde und Reiter, Leben und Treiben ganz anderer Art.
    Nun war es aber nicht ganz so weit zu diesem offenen Platz, wie Cecilie angenommen hatte. Gerade in dem Augenblick jedoch, als sie vor Erleichterung hätte aufatmen können, hörte sie eine einschmeichelnde Stimme hinter sich und erstarrte.
    »Nein, guck doch mal einer an!« sagte die Stimme, und Cecilie merkte, wie jemand nach ihrem Umhang griff. Sie fuhr herum, sah einen zahllos grinsenden Mund in einem frechen Männergesicht und erkannte, daß es keinen Zweck hatte, hier die vornehme, selbstsichere Adelige zu spielen. Hier hieß es: »Besser gut geflohen, als schlecht gefochten«. So riß sie sich denn los und lief davon. Zwei Männer folgten ihr.
    »Die Tugend dürfen Euer Gnaden behalten, wenn wir nur diesen Kasten kriegen«, sagte der eine und griff nach Cecilies Reisetruhe.
    Cecilie reagierte mit den schlechteren Seiten des Eisvolkes. Sie sagte zwar nicht, daß sie bei ihrer Tugend zu spät kämen, aber sie schleuderte den Kasten mit aller Kraft auf den Mann. Da der Kasten aus Holz war, versetzte sie ihm einen kräftigen Schlag, so daß er nach hinten taumelte.
    Doch nun war ein anderer Mann hinzugekommen, so daß noch immer zwei hinter ihr her waren. Sie lief so schnell, wie ihre Röcke es zuließen.
    Im selben Augenblick, in dem sie den offenen Schloßplatz erreichte, hatten sie sie gepackt. Cecilie konnte noch erkennen, daß sich im flackernden Feuerschein eine Ansammlung von Soldaten zu Pferd bewegte, da preßte auch schon der eine der Männer ihr die Hand auf den Mund und versuchte sie weg, wieder in die Gasse zurückzuziehen, während der andere an der Reisetruhe in ihrer Hand rüttelte und zerrte.
    Cecilie gelang es, sich dem Zugriff der Männer zu entwinden, und sie stieß einen kurzen und erstickten Schrei aus, ehe die Hand wieder auftauchte und sie erneut zum Schweigen brachte.
    Einige der Reiter jedoch hatten sie gehört und ihre Notlage erkannt. Sie ritten aus dem Kreis der Soldaten heraus und kamen ihr zu Hilfe. Die Verbrecher ließen unverzüglich von ihr ab und verschwanden in die schützenden Schlupfwinkel der Gasse.
    »Fehlt Euch etwas, junge Dame?« fragte ein bärtiger Offizier.
    »Nein, nichts, danke! Vielen Dank, allen zusammen«, keuchte sie. Sie konnte sich kaum auf den Beinen halten. Ein anderer Reiter ritt auf sie zu. »Aber das ist ja Cecilie!« sagte eine vertraute Stimme. »Aber, liebes Kind!« Sie schaute hoch. Im flackernden Licht des Feuers erblickte sie Alexander von
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