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Die Saga vom Eisvolk 02 - Hexenjagd

Die Saga vom Eisvolk 02 - Hexenjagd

Titel: Die Saga vom Eisvolk 02 - Hexenjagd
Autoren: Margit Sandemo
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Waheit über ihre Eltern erfahn… begann sie in ihrer unbeholfenen Rechtschreibung.
    Als sie fertig geschrieben hatte, löschte sie die Pechfackel und ging hinaus auf den Hofplatz. Es ging auf Mittsommer zu, und das Tal war in ein märchenhaftes, dunkles Licht getaucht, das so typisch für nordische Sommernächte ist. Der Nebel unten am See war dichter geworden, er lag wie Elfenschleier über den Wiesen, und die Schreie des Seetauchers hatten sich verwandelt in die Schreie des Wassergeistes, des Nocken, oder der versunkenen Kinder. Der Wind raunte im Gras und wisperte in den Ritzen der undichten alten Häuser. Winzige graue Knäuel tanzten um Siljes Füße herum, es schienen ihr Trollkatzen zu sein, geheimnisvolle kleine, verwunschene Wesen. Ein altes Pferd trottete draußen an der eingezäunten Koppel entlang. Mit hohlem Rücken schritt es gelassen heimwärts, wo immer das sein mochte. Ob es wohl auch verwunschen war?
    Es ist beinahe unerträglich schön hier, dachte sie. Aber wie sehr ich es trotzdem hasse! Das Gefühl, eingesperrt zu sein. Ich liebe Tengel, und ich liebe die Kinder, aber ich wünsche mir aus tiefstem Herzen, daß wir das Tal des Eisvolks verlassen könnten. Ich habe nichts gemein mit der engherzigen Lebensauffassung dieses Volkes. Sie haben meine Kinder Wechselbälger genannt! Und Tengel schimpfen sie Hexer und Teufel und ich weiß nicht was. Dabei hat er ihnen nie etwas getan, ganz im Gegenteil. Er gebraucht nie die verborgenen Kräfte, von denen ich weiß, daß er sie hat. Trotzdem wird er von der Gemeinschaft verstoßen. Jedenfalls von den meisten - einige gibt es ja doch, die ihn respektieren, und dafür, Gott, danke ich dir!
    Aber Eldrid, unsere beste Freundin, Tengels Cousine, verläßt das Tal jetzt. Ihr Mann will hinaus und versuchen, einen Ort zu finden, wo sie unter Menschen leben können. Er hofft, daß man seine Verbindungen zu den Aufständischen vergessen hat. Wenn wir nur mit ihnen gehen könnten! Es ist, als würde mit ihnen das Leben von uns gehen.
    Wir wissen nichts von dem, was draußen in der Welt vor sich geht. Wegen der Mißjahre hier konnten wir auch nicht nach draußen und Benedikt und seinen Leuten helfen. Und ein einziges Mal in meinem Leben möchte ich so gerne den König sehen. Aber er ist ja nie in Norwegen…
    Ich merke, daß meine Sprache ärmer wird, sich der des Eisvolkes angleicht. Wir haben versucht, Sol und Dag zu unterrichten, aber das reicht nicht mehr aus. Langsam vergessen wir, was wir selbst gelernt haben. Tengel sehnt sich auch nach draußen, das weiß ich, denn er hat es selbst viele Male gesagt. Aber er wagt nicht, unser Leben und das der Kinder zu riskieren. Denn wenn wir nach draußen kommen, dann schnappen sie uns sofort. Mein geliebter Mann wird zur Folter verurteilt werden und anschließend sein Leben verlieren, denn Tengel und Sol werden niemals verheimlichen können, daß sie Nachkommen des ersten Tengel sind, dem bösen Geist des Eisvolkes.
    Sie seufzte schwer und schmerzlich vor Ohnmacht. Die Winter… Sie haßte und fürchtete sie gleichermaßen. Hier war alles gefroren, sogar die Lebensmittel. Die ewige Angst, daß nicht genug zu essen da sein könnte, daß die Vorräte plötzlich erschöpft sein würden. Die Hungersnot des vergangenen Winters war ein Albtraum gewesen. Die verständnislosen Augen der Kinder, wenn sie genauso hungrig ins Bett gehen mußten, wie sie aufgestanden waren. Das Weihnachtsfest, an dem ein geschmücktes Stück Brot das einzige gewesen war, was sie zu essen hatten…
    Als sie daran dachte, daß es noch mehrere solcher Winter geben könnte, merkte sie, daß sie Mühe hatte zu atmen. Sie spürte den Drang, vom Hof zu laufen, irgendwo hin, nur nicht mehr daran denken müssen, nur ihre Liebsten in Sicherheit bringen.
    Sie mußte ein paarmal tief durchatmen, um das Gefühl des Erstickens loszuwerden.
    Oder wenn die Kinder die geringsten Anzeichen von Krankheit zeigten. Sie hatte eine fast schon hysterische Angst davor, daß sie sterben könnten, obwohl sie diese Angst zu verbergen suchte.
    Und das hohle Krachen vom See, wenn das Eis im Frühjahr barst. Auch die Frühlingsabende waren schwer zu ertragen. So voller Wehmut und Sehnsucht…
    Sie fuhr zusammen, als Tengel vorsichtig ihre Schulter berührte.
    »Dein Bett war leer«, sagte er leise. »Was ist?« »Es… ist nichts«, sagte sie ausweichend.
    »Du brauchst es gar nicht zu sagen«, sagte er. »Du sehnst dich nach draußen, nicht wahr?«
    »Tengel, du darfst nicht
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