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Die Saeulen der Macht

Die Saeulen der Macht

Titel: Die Saeulen der Macht
Autoren: Maja Winter
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die Kerzen fielen aus ihren Halterungen und rollten über die Fliesen. Das lange Halteseil rutschte wie eine lebendige Schlange hinterher, verfehlte den Botschafter um Haaresbreite, tanzte mit einem Zischen über das Rad und verstummte schließlich.
    Zu Tode erschrocken stand der Gesandte mit offenem Mund da. Dann gab er ein dünnes Seufzen von sich und fiel in sich zusammen.
    König Ilan Dor Hojan von Terajalas erhob sich von seinem Thron. » Helft dem Mann! « , befahl er.
    Die verstörten Festtagsgäste brachte er mit einem Wink zum Schweigen. Sie erstarrten und fielen erneut auf die Knie. Der Blick des Königs schweifte nicht lange über die wenigen, die noch standen. Seine eigene Familie. Nur ganz kurz blinzelte er hinauf zum Balkon, wo sich hinter der geschnitzten Empore ein Schatten zeigte, der gleich wieder verschwand.
    Â» Prinz Tahan Dor Ilan « , sagte der König, die Stimme kalt und fest. » Ist das dein Werk? «
    Â» Wessen sonst? « , murmelte Gurija.
    Natürlich. Wer war schuld, immer und an allem? Wen hätten sie verantwortlich gemacht, wenn der Himmel über ihnen eingestürzt wäre?
    Zwecklos, es zu leugnen. In der vergangenen Nacht war Tahan dieser Streich noch wie ein besonders guter Einfall vorgekommen. Zwei Stunden lang hatten er und seine Freunde die zirpenden Heuschrecken aus den Büschen im Schlossgarten gesammelt, wo sie am Torbogen unter den Gehenkten besonders emsig lärmten. Der Krüppel war nur zu begeistert gewesen über die Aufgabe, den Knoten des Halteseils just in dem Augenblick zu lösen, wenn der Botschafter genau unter dem Kerzenrad stand. Der Balkon war der ideale Platz dafür, und der Krüppel hielt sich bei jedem Königstag oben auf der Empore auf, wo er hinter der Holzschnitzerei die Zeremonie mitverfolgte, ohne dass die Würdenträger und Gäste ihn sehen konnten.
    Â» Ja, Vater « , antwortete Tahan. » Es war nicht meine Absicht, Euch zu kränken. Ich wollte nur die Feierlichkeiten ein wenig, ähm, aufheitern. «
    Der König lachte nicht. Er lachte nie, wenn er an die Existenz des Krüppels, des Bastards der Königin, erinnert wurde. » Verschwinde « , sagte er. » Aus diesem Saal und von meinem Fest. Sofort. «
    Tahan presste die Lippen aufeinander, verbeugte sich steif und ging.
    Verfluchter Königstag. Er hätte im Bett bleiben sollen.

3
    I ch will gar nicht wissen, was Ihr getan habt, Prinz Tahan. « Fürstin Wydria setzte eine strenge Miene auf, die Tahan an den verkniffenen Gesichtsausdruck seiner Mutter erinnerte. » Ich erwarte nur, dass Ihr Euch zu benehmen wisst. Es ist mir am liebsten, wenn wir Eure Anwesenheit hier nicht an die große Glocke hängen und Euch unter einem Decknamen bei uns wohnen lassen. Das würde uns allen so manche Peinlichkeit ersparen, und wir könnten vermeiden, dass Eure Verbannung zum Gesprächsstoff auf der Burg wird. «
    Tahan schenkte seiner Tante ein entwaffnendes Lächeln. » Ich schäme mich meines Namens nicht, vielen Dank. Und für Gesprächsstoff sorge ich gerne. «
    Wydria presste die Lippen aufeinander; er konnte beinahe hören, wie sie mit den Zähnen knirschte.
    Â» Ich würde Euch dennoch auffordern, so wenig Aufmerksamkeit wie möglich zu erregen, in Eurem eigenen Interesse.– Dasnaree? « Mit einem Seufzer wandte sie sich an ihren Sohn, der abwartend neben ihrem gepolsterten Lehnstuhl stand. » Du könntest Prinz Tahan dabei helfen, sich auf Burg Ameer einzuleben. «
    Dasnarees Augen leuchteten auf. » Ja « , stammelte er aufgeregt, » ja, das mache ich. «
    Für einen dummen Streich verbannt zu werden war hart. Nach Burg Ameer in die Ödnis bleicher Sandgruben und abgeholzter Wälder verbannt zu werden kam einer langjährigen Kerkerstrafe gleich. Verbannt zu werden und die Gegenwart des tumben, fetten, ständig schwitzenden Dasnaree ertragen zu müssen war die Todesstrafe. Nirgendwo auf dieser ganzen verdammten Welt hätte es langweiliger sein können als hier.
    Â» Wollt Ihr die Burg sehen? Soll ich Euch die Aussicht zeigen? Wie gefällt Euch Eure Schlafkammer, ist sie nicht prächtig? «
    Mit nicht nachlassender Begeisterung führte Dasnaree Tahan herum. Als der Junge seinen sechzehnten Sonnenlauf am Königshof verbracht hatte, hatte Tahan es geschafft, ihm geschickt auszuweichen; hier dagegen war das unmöglich. » Die Aussicht aus
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