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Die Rückkehr des Tanzlehrers

Die Rückkehr des Tanzlehrers

Titel: Die Rückkehr des Tanzlehrers
Autoren: Henning Mankell
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Wegbeschreibung nach Culloden.
    Der Mann nickte zustimmend. »Ein guter Tag für einen Besuch. Das gleiche Wetter heute wie damals am Tag der Schlacht. Nebel, Feuchtigkeit, kein allzu starker Wind.«
    Stefan fuhr aus Inverness hinaus. Diesmal ging es leichter im Kreisverkehr. Er bog von der Hauptstraße ab und folgte den Hinweisschildern. Auf dem Parkplatz standen zwei Busse und ein paar Personenwagen. Stefan blickte über die Heide. Einige hundert Meter voneinander entfernt standen Stangen mit roten und gelben Wimpeln. Er nahm an, daß sie die Position der Heere markierten. In der Ferne sah er das Meer und dahinter die Berge. Er dachte, daß die Heerführer ihren Soldaten einen schönen Platz zum Sterben ausgesucht hatten.
    Er löste eine Eintrittskarte für das Museum. Ein paar Schulklassen wuselten herum und schauten sich die als Soldaten und Krieger ausstaffierten Puppen an, die zu wüsten Schlachtszenen arrangiert waren. Er suchte mit den Blicken nach Margaret Simmons. Das Foto, das er von ihr gesehen hatte, war fast dreißig Jahre alt. Dennoch war er sicher, daß er sie erkennen würde. Aber im Museum konnte er sie nicht finden. Er ging hinaus in den böigen Wind, um sie auf dem Schlachtfeld zu suchen. Die Heide war menschenleer. Nur die roten und gelben Wimpel knatterten an ihren Stangen. Er ging zurück. Die Kinder waren auf dem Weg in einen Hörsaal. Er folgte ihnen. Gerade als er eintrat, wurde das Licht gelöscht, und die Leinwand leuchtete auf. Er tastete sich vorwärts zu einem Platz in der ersten Reihe und setzte sich. Der Film mit seinen drastischen Geräuscheffekten dauerte dreißig Minuten. Als das Licht wieder anging, blieb er sitzen. Die Kinder drängten zum Ausgang, und als sie zu viel Lärm machten, wurden sie von ihren Lehrern energisch zur Ordnung gerufen.
    Stefan blickte sich um. Sie saß ganz hinten. Er erkannte sie sofort. Sie trug einen schwarzen Regenmantel. Als sie aufstand, stützte sie sich auf ihren Regenschirm und achtete genau darauf, wohin sie ihre Füße setzte. Stefan wartete. Sie warf einen Blick in seine Richtung. Er wartete, bis sie den Saal verlassen hatte, und folgte ihr dann. Die Kinder waren plötzlich verschwunden. Eine Frau saß allein an einer Glastheke, an der man Souvenirs und Postkarten kaufen konnte, und strickte. Aus dem Cafe nebenan waren ein Radio und das Klirren von Porzellan zu hören.
    Stefan folgte Margaret Simmons. Sie war auf dem Weg hinunter zu der Mauer, die das Schlachtfeld umgab. Obwohl es regnete, hatte sie ihren Schirm nicht aufgespannt, dafür war es zu böig. Er wartete, bis sie das Tor geöffnet und durch die Mauer gegangen war. Dann folgte er ihr und fragte sich gleichzeitig, wie so viele Kinder einfach spurlos verschwinden konnten. Sie ging auf einem der Pfade, die sich über das Schlachtfeld schlängelten. Er folgte ihr langsam und sagte sich, daß er vollkommen richtig gehandelt hatte. Er wollte wissen, warum Herbert Molin in seinem Tagebuch über sie geschrieben hatte. Sie war die große Ausnahme gewesen, dachte er. Da war der Bericht darüber, wie er über die Grenze nach Norwegen gelangt war, Eis aß und Mädchen in Oslo anschaute, und anschließend die schrecklichen Jahre als Soldat bei der Waffen-SS. Die Jahre, die ihn zu einem erbärmlichen Handlanger Waldemar Lehmanns deformiert hatten. Und dann also die Reise nach Schottland. Wenn er sich recht erinnerte, war das der längste zusammenhängende Abschnitt im ganzen Tagebuch, länger als die Briefe, die er aus dem Krieg nach Hause geschickt hatte. Bald hätte er sie eingeholt, um vielleicht die letzten Informationen über Herbert Molin zu erhalten.
    Rechts und links des Pfads standen in unregelmäßigen Abständen Grabsteine, aber nicht für einzelne Krieger, sondern für die verschiedenen schottischen Clans, deren Mitglieder von den Engländern niedergemacht worden waren. Margaret Sim-mons ging auf einem Schlachtfeld umher. Herbert Molin lebte auch ein paar Jahre auf dem Schlachtfeld. Aber er fiel nicht, weder von Kanonen noch von Gewehrfeuer getroffen. Er wurde von jemandem ermordet, der ihn auf einem abgelegenen Hof in Härjedalen aufgespürt hatte.
    Margaret Simmons blieb stehen und beugte sich zu einem der Grabsteine hinunter. Stefan hielt inne. Sie warf einen Blick zu ihm hinüber und ging weiter. Er folgte ihr weit hinaus auf das Schlachtfeld, ein schwedischer Polizeibeamter, der noch keine Vierzig war, dreißig Meter hinter einer schottischen Frau, die ebenfalls Polizistin gewesen
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