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Die Rückkehr der Jungfrau Maria - Roman

Die Rückkehr der Jungfrau Maria - Roman

Titel: Die Rückkehr der Jungfrau Maria - Roman
Autoren: Klett-Cotta Verlag
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Gefahr für mich, denn es war illegal, jemanden gefangen zu halten, dessen Identität man nicht nachweisen konnte. Ich hätte den Fall in einer halben Stunde abhandeln können, wollte diesen Aspekt aber zunächst einmal außen vor lassen. Der Fall war überhaupt nur wegen Marias hohem Bekanntheitsgrad und der vielen Bilder von ihr in den Medien vor Gericht gekommen. Diese Fotos waren der einzige Beweis, dass es um die Flucht eines echten Menschen ging, und selbst von denen waren viele unscharf.
    Zuerst wiederholte der Staatsanwalt die Anklage, die der Richter verlesen hatte. Dann legte er Beweise dafür vor, dass ich ein Drahtseil von einem Hotelzimmer zu der Burg gespannt und mit Hilfe einer Winde die Balkontür zur Turmwohnung aufgebrochen hatte. Hotelmitarbeiter erkannten mich wieder, das Hotelzimmer war mit meinen Fingerabdrücken übersät, und das Seil,das bei der Tat benutzt worden war, befand sich im Besitz des
Zirkus Wallenda
, bei dem ich arbeitete. Nachdem der Staatsanwalt lang und breit dargelegt hatte, dass meine Beteiligung an Marias Flucht aus dem Gefängnis außer Zweifel stehe, fragte er mich geradeheraus:
    »Geben Sie zu, in die Burg eingebrochen zu sein und Maria befreit zu haben?«
    »Nein«, antwortete ich ungerührt und fragte: »Welche Maria meinen Sie?«
    Der Staatsanwalt, ein ehrwürdiger älterer Herr, der offenbar nach einer langen Karriere im Gerichtssaal einiges gewöhnt war, lächelte gutmütig. Meine Verleugnung war angesichts der vielen vorliegenden Beweise kindisch. Aber ich beabsichtigte, das Gespräch von den Beweisen auf das zu lenken, was am allerwichtigsten, aber unsichtbar war: Maria. Der Staatsanwalt wies die Gerichtsdiener an, einen Videorekorder und einen Fernseher zu bringen. Dann zeigte er Filme von Maria und fragte:
    »Kennt der Angeklagte die Person in diesen Filmen?«
    »Ja, ich kenne sie, das ist Maria. Aber wer hat uns zusammen gesehen, seit sie aus dem Gefängnis befreit wurde?«
    »Sie geben zu, Maria zu kennen, leugnen aber trotz aller vorliegenden Beweise, sie befreit zu haben?«
    »Das ist richtig. Ich will wissen, wer uns zuletzt zusammen gesehen hat, denn derjenige weiß am allerbesten, wo sie sich jetzt befindet. Ich beantrage, dass Bischof Sebastian in den Zeugenstand gerufen wird.«
    »Ich werde Ihr Anliegen billigen, aber ob das Ihren Fall begünstigt, wage ich zu bezweifeln«, sagte der Staatsanwalt, dankte mir fürs Erste und rief Sebastian in den Zeugenstand. Der Bischof sah mitgenommen aus, als sei er plötzlich um Jahre gealtert, trat aber dennoch entschlossen und siegesgewiss auf. Nachdem ersich vorgestellt und bestätigt hatte zu wissen, wer Maria sei, sagte der Staatsanwalt:
    »Sie behaupten, sie hätten neue Beweise, die sich in die lange Reihe bereits vorliegender Beweise in diesem Fall einreihen.«
    »Das stimmt. Gestern Abend wurde mir ein Video zugespielt aus der Nacht, in der Maria befreit wurde.«
    »Wer hat den Film aufgenommen?«
    »Ein Amateurfilmer, der an dem Platz bei der Burg wohnt, in der Maria festgehalten wurde.«
    »Was zeigt der Film genau?«
    Sebastian erhob seine Stimme und sagte laut und deutlich, sodass jeder im Gerichtssaal es hören konnte:
    »Er zeigt die wahre Natur dieses Gesocks, Michaels und Marias. Er zeigt, dass Michael von Blomsterfeld lügt, wenn er schwört, Maria nicht befreit zu haben, und er zeigt, dass Maria lügt, wenn sie behauptet, unbefleckt zu sein. Der Film zeigt auch, dass Michael und Maria sich in nichts nachstehen, skrupellose Schwindler, die sich für etwas anderes ausgeben, als sie sind, gewissenlose Verbrecher, die nicht davor zurückschrecken, unschuldige und gottesfürchtige Menschen zu täuschen und in die Irre zu leiten. Maria ist eine Geisteskranke, die den Leuten weismachen will, sie sei entweder die Reinkarnation der Jungfrau Maria oder eine Hure, die vor aller Augen Unzucht treibt. Wenn die Menschen sehen, wie sich die beiden im Schutz der Nacht in der Öffentlichkeit verhalten, sind all ihre Beteuerungen null und nichtig und die Sekte
Kinder Marias
löst sich auf.«
    Der Staatsanwalt forderte Sebastian auf, dem Gericht die betreffenden Filme zu zeigen, und der Bischof gab ihm bereitwillig das Video. Der Fernseher wurde eingeschaltet und das Video eingelegt.
    »Wie Sie alle sehen können«, sagte Sebastian, »ist es Michael,der auf das Seil hinaustritt, das vom Hotel quer über den Platz gespannt ist.«
    Ein Raunen ging durch den Gerichtssaal, und der Richter bat um Ruhe.
    »Jetzt bleibt er
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