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Die rote Halle

Die rote Halle

Titel: Die rote Halle Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karla Schmidt
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besorgen.
    Schließlich kletterte er hinterher, in die enge Schwärze über ihm.
    Janina war außer Atem, die Nachmittagsprobe in der roten
Halle hatte bereits begonnen. Die Schuhe hatte sie gleich in der weißen Tüte
gelassen, die sorgfältig vorbereitete Schweinehaut steckte in einem
Schutzbezug, in dem sie normalerweise aufwendige Kostüme transportierte. Schwer
und kalt lag sie über ihrem Arm.
    Dave war schon auf der Bühne und machte seine Dehnübungen. Janina
sah nur kurz hin, dann wieder weg. Sie würde ihn in die Schweinehaut einnähen,
jetzt, in wenigen Minuten. Sie würde seine Haut berühren. Sie würde zittern.
    Sie hatte gehofft, dass DeeDees Anwesenheit ihr ein wenig Sicherheit
geben würde. Aber die stand mit verschränkten Armen und einem eiskalten
Gesichtsausdruck hinter ihrer neuen Kamera, die auf ein Stativ geschraubt und
auf die Bühne gerichtet war, und starrte Dave an. Als Janina sie begrüßte,
erkannte sie, dass DeeDee Tränen in den Augen hatte.
    Â»Alles klar?«, fragte sie leise.
    DeeDee nickte knapp, versuchte zu lächeln, sagte aber nichts.
    Von oben rieselten Staub und winzige Gipspartikel auf Janina herab;
auf den Stahlträgern unter der Decke kletterten zwei Jungs herum und
befestigten Scheinwerfer und Halterungen für Stahlseile.
    Simon war nicht dabei, und obwohl Janina gehofft hatte, ihn hier zu
treffen, war sie froh, ihn nicht dort oben zu sehen. Sie stellte die Tüte mit
den Schuhen auf die Bühne, legte die eingepackte Schweinehaut daneben und zog
noch einmal das Handy aus der Tasche. Wenn Rost erst einmal hier war, würde sie
sich das nicht mehr erlauben können.
    Der Teilnehmer ist nicht erreichbar. Wo
steckte Simon bloß? Sie hatte ihn in den letzten beiden Tagen kaum gesehen, sie
wusste nicht einmal, ob die Sache zwischen ihm und Rost mittlerweile geklärt
war und ob er seinen Praktikumsplatz bekommen hatte oder nicht.
    Â»DeeDee, du könntest schon mal zwei von deinen Schuhen probieren«,
sagte Janina, während sie sich an der Tüte zu schaffen machte.
    Â»Das wird nicht notwendig sein.«
    Das war Josef Rost, der zusammen mit einer jungen Tänzerin die
Ehrenhalle betrat. Er strahlte über das ganze Gesicht.
    Â»Wir haben umbesetzt. Nicht wahr, DeeDee? Das wird ein Knaller«,
sagte er aufreizend gut gelaunt. »Wir hatten eben die erste Einzelprobe«,
meinte er an Janina gewandt. »Rose, meine Liebe, du weißt sicher, dass Dave
meine erste große Entdeckung war. Und du wirst meine letzte sein.«
    Er deutete einen Handkuss an, eine übertriebene Geste, Rose
errötete, freute sich aber offenbar über seine Worte. An DeeDee sah sie
unbehaglich vorbei und gesellte sich zu Dave auf die Bühne, um sich ebenfalls
aufzuwärmen.
    DeeDee hatte ein Lächeln aufgesetzt, das ihre allzu sichtbaren
Gefühle Lügen strafte.
    Â»Josef. Wie konntest du nur?«, flüsterte Janina Rost zu.
    Der stand neben ihr und wippte auf den Fußballen, als könnte er es
nicht erwarten, endlich anzufangen. Immer wieder sah er ungeduldig auf seine
Armbanduhr. Als die Tänzer fertig waren, winkte Rost sie heran.
    Â»Zeig mal die Schuhe.«
    Janina zog mit gesenktem Kopf zwei von den großen Schuhen aus der
Tüte. Einen roten Damenpumps mit Riemchen und einen mit Plateausohle vorn. Sie
fühlte sich beobachtet, ihre Bewegungen waren fahrig und unsicher. Josef Rost
nahm die Schuhe entgegen und küsste sie, bevor er sie an Dave weiterreichte.
    Â»Das bringt Glück«, meinte er. »Nicht, dass du dir die Haxen
brichst. Ihr werdet bei keiner Probe und bei keiner Aufführung zweimal
hintereinander dieselben zwei Schuhe tragen. Jeder von euch beiden hat fünf
rechte und fünf linke Schuhe, alle verschieden, und wir werden sie immer wieder
neu kombinieren. Eure Bewegungen sollen immer wieder etwas Unsicheres, etwas
Improvisiertes haben, ich wünsche keinerlei Routine. Klar?«
    Dave und Rose nickten. Josef Rost machte ungeduldig schlenkernde
Handbewegungen in Janinas Richtung.
    Â»Und zwei für Rose, bitte.«
    Er klang bereits jetzt leicht gereizt, und Janina wusste, dass dies
ein heikler Moment war, in dem seine Laune kippen konnte.
    Â»Rose, welche Schuhgröße hast du denn?«
    Â»Sechsunddreißig«, sagte Rose mit einem niedlichen französischen
Akzent.
    Janina sah Josef Rost an und sprach betont sachlich.
    Â»Wir haben fünf Paar in

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