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Die Rose von Angelâme (German Edition)

Die Rose von Angelâme (German Edition)

Titel: Die Rose von Angelâme (German Edition)
Autoren: Carmen Mayer
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gefördert.
    Sie waren Freunde geworden.
    Daniel, der Beau, dem die Mädchen scharenweise nachliefen, der das Leben in vollen Zügen genoss und mitnahm, was sich ihm bot. Simon, der die gebrochenen Herzen hinter dem Freund aufsammelte, Tränen trocknete und die Welt wieder in Ordnung brachte.
    Dann: Daniel Savarini und Carolin Vandenbergh. Und: Simon Rössler und sein Job.
     
    Simon blätterte die Mappe erneut durch, entnahm ihr einige lose eingelegte Blätter und Prospekthüllen mit Fotos, die er achtlos zur Seite legte, und beschäftigte sich kurz mit den Anweisungen, die Daniel zu den Unterlagen geheftet hatte. Er sollte die Rechtmäßigkeit der Auszahlung einer größeren Versicherungssumme an eine Waise feststellen, die nach dem Tod der versicherten Eltern fällig geworden war.
    Fast hätte er die Ausdrucke nur gelocht und mit den Prospekthüllen zusammen in die Ablage geworfen, als ihm auf einer der Seiten eine kursiv gedruckte, gelb markierte Zeile auffiel, die ihn stutzig werden ließ: Dame im roten Samtkleid, wahrscheinlich Frankreich, frühes 14. Jahrhundert .
    Neugierig geworden überflog er zunächst die eng bedruckte Seite und las sie dann noch einmal aufmerksam durch.
    Es handelte sich um die Beschreibung eines Gemäldes, von dem Fotos in einigen der beiseitegelegten Prospekthüllen steckten. Auf einer weiteren Seite fand er den ebenfalls kursiv gesetzten Vermerk:
     
    Signatur: Spika
    Künstler: unbekannt
     
    Er studierte stirnrunzelnd den Ausdruck, der von Prof. Dr. Rudolf Krapp stammte, ein weltweit anerkannter Experte für mittelalterliche Kunst, dessen Expertisen bislang unumstritten waren. Am Ende des Schreibens fand Simon einen Hinweis auf die Expertise des Professors, die sich bei den übrigen Akten des Versicherten befinden musste.
    Simon betrachtete interessiert die Fotos vom Gemälde der Dame im roten Samtkleid. Es zeigte eine junge Frau im Dreiviertelporträt, das der Beschreibung zufolge in Tempera auf Holz gemalt worden war, ungefähr in den Maßen 43 x 63 cm, Hochformat. Allem Anschein nach saß die Dame auf einem Stuhl, dessen hölzerne Lehne ein Stückchen über ihre rechte Schulter herausragte. Dahinter waren die rechte Seite einer Fensterlaibung und ein dunkler Fensterrahmen sichtbar, der milchigweiße Scheiben umschloss. Das dem Betrachter zugewandte Gesicht der Frau war von edler Blässe, mit fein geschwungenen Lippen unter einer kleinen, geraden Nase und mit grünbraunen Augen, die neugierig die Welt zu betrachten schienen. Ihr Kleid, unter dessen eng geschnittenem, leicht dekolletierten Oberteil kugelrunde Brüste zu ahnen waren, deutete darauf hin, dass sie eine Adelige gewesen sein musste, die sich den Luxus rot gefärbten Samtes leisten konnte. Die Ärmel des Kleides lagen eng an den Unterarmen an und schlossen am Handgelenk mit einem weißen Spitzenbesatz ab, unter dem eine fein gearbeitete Armspange mit einem kleinen Anhänger hervorlugte. Ein dunkelgrüner, mit blattförmigen Mustern bestickter, ärmelloser Surcot betonte die schlanke, aufrechte Gestalt der Dame, und gewährte durch den tief gezogenen Armausschnitt einen reizvollen Blick auf ihre Taille. Ein Gebände über Kinn und Ohren hielt eine helle Haube auf ihrem Kopf. Ein Zeichen dafür, dass die Dame verheiratet gewesen sein musste. Ihre unberingten Hände hatte sie im Schoß übereinandergelegt, wobei Zeige-und Mittelfinger der rechten Hand auf die Signatur am rechten unteren Bildrand zu weisen schienen.
    Simon holte eine Lupe aus seiner Schublade und betrachtete die Signatur, die im Exposé von Professor Dr. Krapp erwähnt wurde. In ockerfarbenen Buchstaben hatte der Maler spika in die vom Betrachter aus gesehene rechte untere Ecke geschrieben. Nie gehört. Aber er war ja kein Experte für Gemälde und alte Schriften, die bislang nur selten zu seinem Aufgabenbereich gehört hatten. Die Experten für Kunst und Krempel arbeiteten in anderen Abteilungen.
    Simon fuhr den Computer hoch und durchsuchte seine Daten nach weiteren Informationen über das Gemälde. Er staunte nicht schlecht über die Versicherungssumme: Eine halbe Million Mark! Inzwischen also fast 260.000 Euro. Das konnte doch wohl nicht wahr sein! Wer versicherte denn das seiner Meinung nach leidenschaftslose Gemälde eines völlig Unbekannten mit einer halben Million Mark!? Es musste ein sehr überzeugender Versicherungsvertreter gewesen sein, der so etwas zustande gebracht hatte.
    Je länger er sich mit dem Bild der Dame im roten Kleid beschäftigte,
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