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Die Romantherapie: 253 Bücher für ein besseres Leben (German Edition)

Die Romantherapie: 253 Bücher für ein besseres Leben (German Edition)

Titel: Die Romantherapie: 253 Bücher für ein besseres Leben (German Edition)
Autoren: Ella Berthoud
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sie dich heiraten will?« Papa weiß natürlich, dass es ihr um ein Visum und um ein schönes Auto geht, in dem sie ihren vierzehnjährigen Sohn zur Schule fahren kann, aber er sieht nichts Schlimmes darin, Valentina und Stanislav im Tausch für ein wenig jugendliche Zuneigung ein Dach über dem Kopf zu geben. Sie wird für ihn kochen und putzen und sich um ihn kümmern, wenn er älter und gebrechlicher ist. Dass sie ihn auch um seine Ersparnisse bringt und die ganze Familie mit Fertiggerichten in die Knie zwingt, ignoriert er geflissentlich. Es wird ein hartes Stück Arbeit für die beiden zerstrittenen Schwestern Nadia und Vera, bis sie ihm endlich die rheumatischen Augen öffnen und er erkennt, welchen Schaden diese »flauschige rosa Granate« in ihrer Familie anrichtet.
    Es gehört schon eine Portion Gemeinheit dazu, dem alten Traktor-Experten die Frischekur, die Valentina trotz all ihrer Fehler und Schwächen für ihn ist, zu missgönnen, und solange beide Seiten die Beweggründe des anderen kennen und akzeptieren, kann eine Beziehung zwischen zwei Menschen auf entgegengesetzten Enden der Lebensskala eine wunderbar symbiotische Angelegenheit sein. Doch das funktioniert nur, wenn beide Seiten offen und ehrlich miteinander umgehen und keine Spielchen spielen. Wenn das gegeben ist, haben Sie unseren Segen. Lassen Sie sich fallen, ganz egal wie alt die Arme, die Sie auffangen, auch sein mögen. 32

Ambitionen, künstlerische
    Holzfällen
Thomas Bernhard
    Wenn Sie sich klammheimlich aus Ihrer Existenz als Steuerprüfer, Landvermesser oder Biologielehrer wünschen ( ▶ Hass auf den Job ), wenn Sie sich nach intellektueller Stimulation sehnen, nach durchzechten und durchdiskutierten Nächten, wenn Sie vielleicht schon so weit sind, dass Sie der Anblick der kalten Mansarden in La Bohème mit einer Spur Neid erfüllt – dann wird es Zeit für Thomas Bernhards großartigen Roman Holzfällen .
    Bernhard hat dem Roman den Untertitel Eine Erregung gegeben, seine Arbeitsweise beschreibt er so: »Die Erinnerung, nicht die macht man sich gegenwärtig, nicht und dann sieht man, dass das lauter mehr oder weniger offene Wunden sind nicht, spritzt man ein bissl Gift hinein und das ganze entzündet sich und dann kommt ein erregter Stil zustande.« Die Erinnerung, die Thomas Bernhard sich mit der Giftspritze in der Hand gegenwärtig macht, ist seine Erinnerung an die Wiener Künstlerszene: Ein Ehepaar, verdiente Mäzene, hat zu einem »künstlerischen Abendessen« geladen. 34 Auch der Ich-Erzähler, ein Schriftsteller, ist der Einladung gefolgt und sitzt nun, das bitter bereuend, in einem Ohrensessel, beobachtet die Anwesenden und versprüht Gift – in Gedanken. Keine Eitelkeit, keine Oberflächlichkeit, keinen Anbiederungsversuch lässt er ungeschoren. Die größte Portion Häme bekommt der Stargast des Abends, ein Burgschauspieler, ab: »Der Ekdal, sagte er und löffelte die Suppe, der Ekdal ist schon jahrzehntelang meine Wunschrolle gewesen, und er sagte, wieder Suppe löffelnd, und zwar alle zwei Wörter einen Löffel Suppe nehmend, also er sagte der Ekdal und löffelte Suppe und sagte war schon und löffelte Suppe und immer meine und löffelte Suppe und sagte Lieblingsrolle gewesen und löffelte Suppe und er hatte auch noch zwischen zwei Suppenlöffeln seit Jahr- und dann wieder nach zwei Suppenlöffeln zehnten .« So elegant lässt sich Künstlerpathos zerlegen, wenn Thomas Bernhard es sich vornimmt.
    Der Mäzen, der zu jenem Abendessen eingeladen hatte, und sich in Holzfällen wiederzuerkennen und grob beleidigt glaubte, erwirkte, dass der Roman in den Buchläden beschlagnahmt wurde. Zum Glück aller verhinderten Künstler gab es eine außergerichtliche Einigung, denn diese Hasstirade knistert energetisch, ist oft genug hochkomisch – und eine wunderbare Kur für alle falsch Ambitionierten: »Künstlertum heißt […] für die meisten, sich dem Staat, gleich welchem, gefügig zu machen und sich von ihm aushalten zu lassen lebenslänglich. Das […] Künstlertum ist ein gemeiner und verlogener Weg des Staatsopportunismus, der mit Stipendien und Preisen gepflastert und mit Orden und Ehrenzeichen tapeziert ist und der in einem Ehrengrab auf dem Zentralfriedhof endet.«
    Vielleicht schauen Sie sich La Bohème jetzt noch einmal an und gestehen sich ein, dass Schwindsucht kein bisschen romantisch ist – und sind dann dankbar für Ihren Nine-to-five-Job und ein bisschen Aktenstaub. Ihren großen künstlerischen Wurf können Sie
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