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Die Reisen Des Paulus

Die Reisen Des Paulus

Titel: Die Reisen Des Paulus
Autoren: Ernle Bradford
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hatten sich früher eingeschifft, um die Gefahren zu vermeiden, die im Herbst auf See drohten – auf dem Mittelmeer schlägt das Wetter dann oft jäh um. Ein Getreidefrachter dieses Typs dürf-te um die 340 Tonnen gehabt haben. Diese Größenordnung zog die römische kaiserliche Regierung vor, und Schiffseigner, die Fahrzeuge mit einer solchen Tonnage bauten und der Regierung für Transportzwecke zur Verfügung stellten, wurden automatisch von der ansonsten zwangsweisen Beistellung gemeinnütziger Dienstleistungen befreit. Also war es für die reichen Schiffseigner nur von Vorteil, wenn sie der Regierung ein solches Schiff überließen. Die Bauart entsprach dem Grundmuster, das die Phönizier, meisterli-che Seeleute, vor Jahrhunderten mit ihren gauloi oder »Zu-bern« entwickelt hatten. Ihr Rumpf ähnelte einer halbierten 12
    Nußschale. Sie waren vor allem dazu gedacht, möglichst viele Güter zu befördern. Die Geschwindigkeit spielte eine untergeordnete Rolle. Im Gegensatz zur Galeere waren sie in erster Linie Segelschiffe. Sie hatten ein großes Beiboot, das sie in den Hafen oder aus dem Hafen zog. Es bugsierte das Frachtschiff außerdem bei Flauten in die Richtung, wo sich vielleicht ein Windhauch regte. Normalerweise lief das Beiboot an einem Tau befestigt im Schlepp. Bei stürmischem Wetter konnte man es aber auch an Bord hieven. Apollonios, ein Philosoph, Mystiker und Wundermann (der, wie viele andere in dieser Epoche, Menschen von den Toten wiederauferweckt haben soll), stammte aus Kleinasien und war ein Zeitgenosse unserer Reisenden. Einst versuchte er, die miteinander zerstrittenen Bewohner von Smyrna auszusöhnen, und wählte als Beispiel dafür, wie sie ihre Stadt führen sollten, das Ablegen eines Kauffahrteischiffs: »Betrachtet euch die Mannschaft dieses Schiffs«, sagte er. »Seht ihr die Leute in den kleinen Beibooten, dazu bereit, die Taue anzuziehen? Schaut auch, wie andere die Anker lichten und sie innenbords sichern; und schaut, wie wieder andere Vorbereitungen dafür treffen, daß das Schiff unter Segel gehen kann, während zur selben Zeit kleine Gruppen an Bug und Heck geschäftig ihrer Pflicht nachkommen. Wenn auch nur einer von der Mannschaft nicht die Arbeit täte, die ihm zugewiesen ist, oder sie unzureichend oder nicht sachgemäß durchführte, hätten alle eine schlechte Fahrt zu gewärtigen und wären sich selbst ihr eigener Sturm. Doch wenn sie in gesundem Wettstreit miteinander liegen, wenn jeder versucht, so tüchtig wie sein Nachbar zu sein, dann werden sie auf eine gute Reise gehen …«
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    Zweifellos stach auch unser Kauffahrteischiff auf diese Weise von Myra aus in See. Erst steuerte es den im Norden gelegenen Hafen Knidus auf der »Insel« Triopion an – »Insel« deshalb, weil Triopion mit dem Festland durch einen Damm verbunden war, der sich mit der Zeit in einen san-digen Isthmus verwandelt hatte. Das gab zwei gute Häfen, einen im Norden und einen im Süden. Zu dieser Jahreszeit dürfte das Schiff den Südhafen angelaufen haben.
    Die Fahrt ging langsam vonstatten. Das Schiff hatte sich gegen die Nordwestwinde stemmen müssen, bei Nacht war man vor Anker gegangen, und man hoffte stets auf eine günstige Brise, die es ermöglichen würde, Westkurs in Richtung Heimat aufzunehmen. In Knidus sahen sich wohl die meisten Passagiere an Land um. Einige bewunderten den Aphro-ditetempel mit der großartigen, von Praxiteles geschaffenen Statue der Göttin, aber die meisten taten sich an schmack-haftem Essen und Wein gütlich und frischten ihre privaten Vorräte auf. Kauffahrteischiffe, die auch Passagiere mitnah-men, waren unbequem. Daneben gab es aber auch Schiffe, die den Reichen einen Komfort boten, der auf dem Mittelmeer erst viele Jahrhunderte nach dem Fall des römischen Reiches wieder in Schwang kam. Auf diesen Schiffen, vor allem jedoch auf den Lustschiffen der Kaiser, fand man Bäder und Hallen, elegante Kabinen, Plätze für Leibesübungen, überdachte Wandelhallen und kultische Räume. Die Boden waren mit Mosaiken ausgelegt, die Lampen und Krüge bestanden aus Bronze. Silberne oder goldene Teller und Poka-le schmückten die Tafel. Doch auf einem ganz gewöhnlichen Schiff wie dem, das gerade Myra verlassen hatte, gab es keinen solchen Luxus. Da die Seefahrt auf dem Mittelmeer fast 14
    ausschließlich während der milden Sommermonate stattfand, reisten die Passagiere so einfach wie Bauern – sie lager-ten auf dem Oberdeck, hatten nichts weiter als eine Rolle unter dem Kopf
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