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Die Reise zum Ich

Die Reise zum Ich

Titel: Die Reise zum Ich
Autoren: Claudio Naranjo
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Für-oder-Gegen-sich-
    selbst-Seins ist - läuft auf die Decouvrierung des »Monstrums«
    im Innern, in dem die verneinende Macht ihren Ursprung hat,
    hinaus. Die Lösung des Konflikts besteht in der Erlangung des
    Einsseins und ist der Tötung des Drachens in den klassischen
    Mythen des Altertums gleichzusetzen, dem Erwerb seiner
    Macht, oder aber der Zähmung der Bestie, mit der ihre erlöschenden Energien nunmehr in den Dienst des Lebens gestellt werden.
    Der Prozeß des »Hinabsteigens« ins Pathologische, Chaotische
    und Destruktive als Mittel zur personalen Integrierung ist keineswegs eine Entdeckung der zeitgenössischen Psychotherapie.
    Wir begegnen ihm zum Beispiel hervorragend dargestellt in
    25

    dantes Göttlicher Komödie. Die Dichtung beginnt damit, daß
    sich der Dichter »in einem dunklen Wald« verloren findet, den
    er »halb im Schlaf« betreten hat. In der Feme sieht er den
    »hohen Berg« vor sich, den er erklimmen muß, will er sein Ziel
    erreichen. Doch treten ihm jeweils drei wilde Raubtiere (verschiedene Erscheinungsformen ein und desselben Prinzips) in den Weg. Dann erscheint sein Führer, virgil, um ihm zu sagen,
    daß es auf geradem Weg nicht möglich sei: Erst müsse er hinab in
    die Tiefen der Höllenkreise.
    Uber die verschiedenen Verirrungen des Menschen meditierend geht dante mit virgil, und erst viel später, nachdem er Hölle und Fegefeuer erlitt, erfährt er, daß diese Laster nichts
    anderes sind als krankhafte Verformungen der Liebe, der gleichen »Liebe«, die Sonne und Gestirne bewegt.
    dantes Beschreibung dieses Prozesses kann uns bei der Erläuterung der »höllischen« Drogenerfahrungen von Nutzen sein.
    dante folgt der traditionellen Auffassung, daß der Weg der
    Kontemplation zur spirituellen Entfaltung führe. Alle Leidenschaften werden als etwas gesehen, das außerhalb des Ichs ist, als etwas Ich-Fremdes, - des Ichs als Zentrum der personalen
    Existenz. Unter tausend Leiden stellt dante sich den verschiedenen Höllenkreisen, und einmal verliert er, ins Innerste getroffen, vom Schock das Bewußtsein: Er fällt hin wie tot (»e caddi come corpo morto cade«). Dennoch gelingt es ihm, sich
    objektiv zu distanzieren und alles hinter sich zu bringen.
    Der entscheidende Motor der Wandlung - und darüber sind
    sich die Psychotherapeuten von heute weitgehend einig - ist die
    Bewußtheit. Werden wir uns der Prozesse bewußt, vermögen
    wir sie auch zu kontrollieren, sie zu den »unseren« zu machen.
    Und paradoxerweise sind wir im Bewußtseinsakt nicht nur
    »Es«, vielmehr eine umfassendere Einheit, die mit oder ohne
    dieses »Es« fortdauern kann. Diese Freiheit war für hegel
    gleich Geist. Und hierin liegt der Unterschied zwischen dantes
    Hölle und Paradies. Es ist auch der Unterschied zwischen Anfang und Ende einer gelungenen psychotherapeutischen Behandlung. Denn in dantes Hölle und Paradies wohnen die gleichen Mächte; wie es einen Höllenkreis der Wollust gibt, so
    auch eine Paradiesessphäre, in der die Liebenden weilen; dem
    Kreis der Gewalttäter entspricht der Himmelskreis der kämpferischen Geister des mars, der Hölle der Unmäßigkeit die Unersättlichkeit an Himmelsmanna und so fort. Der Unterschied besteht lediglich darin, daß, was sich in der Hölle als 26

    »Leidenschaft« (als passives »erleiden«) manifestiert, im Paradies aktive Energie, »Tugend« ist (virtus, vom indoeuropäischen vir = Kraft, Energie; im Lateinischen vir = Mann). Die Einwirkung des Bewußtseins auf die Lebensprozesse spielt sich
    durch eine Umwandlung ab, die sie steigern und nicht schwächen. Es macht den Eindruck, als ob unsere Energien bei dem als »Hölle« beschriebenen Bewußtseinsstand nicht wüßten,
    wohin sie wollten, sich in ihren wahren Zielen irrten, weil sie
    ihrer natürlichen Kanäle beraubt wurden. Würde der Mensch
    sich in jedem seiner Teile »erinnern«, was er wirklich will,
    würde was krank ist gesund, und was zuvor ein Zerrbild des
    Lebens war, verblaßt zu einem bloßen Schatten.
    Die Reise durch die auf chemischem Wege eröffneten Höllen
    unterscheidet sich dem Wesen nach nicht von dem uralten Weg
    der Selbsterkenntnis, ebensowenig die durch die modernen
    Psychotherapien in Gang gesetzten Erkenntnisprozesse. Die
    drei Wege unterscheiden sich in ihrer Technik, deren Hauptunterschied wiederum in der erzielten Intensität des Bewußtwer-dungsprozesses besteht: Mit Hilfe der Drogen können Monate
    dramatisch gerafft oder gar zu Stunden komprimiert werden.
    Der
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