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Die Reise ins Licht

Die Reise ins Licht

Titel: Die Reise ins Licht
Autoren: Andrej Djakow
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schlugen
über seinem Kopf zusammen. Er spürte kaum noch seine Beine, seinen Körper hatte eine schreckliche Müdigkeit erfasst. Stumm wie ein Fisch riss er den Mund auf, doch anstelle der rettenden Luft schluckte er nur Wasser. Ein letztes Mal kämpfte er sich mit erschöpften Armen an die Oberfläche, doch schon brach eine neue Welle über ihm zusammen, und das Licht, das durch die mächtigen Fluten drang, begann zu verblassen.
    Gleb erwachte und bekam einen Hustenanfall. Sein Herz raste, und die Lungen sogen krampfhaft die abgestandene Luft des Bunkers ein. Es war nur ein Traum gewesen. Ein Alptraum. Gleb hatte noch nie so viel Wasser gesehen. Und selbst jetzt zweifelte er noch immer daran, dass es so etwas überhaupt gab. Natürlich hatte der Junge von der überfluteten Gorkowskaja gehört, aber in seinem Traum war weitaus mehr Wasser gewesen, als in der Station Platz gehabt hätte.
    Gleb rieb sich die Augen und versuchte den Traum zu vergessen. Er kroch unter der Decke hervor und zog sich schnell an. In der Küche klapperte Taran mit dem Geschirr. Auf dem Tisch dampfte bereits eine Schale mit Suppe, deren köstlicher Duft bis zu ihm drang.
    Während Gleb seine Ration verdrückte, packte Taran ihre Sachen zusammen. Danach half er dem Jungen, den Schutzanzug anzulegen. Gleb spürte, dass der Anzug schwerer geworden war – ausgestattet mit einer Schnellfeuerpistole der Marke »Pernatsch«, einer Unmenge an Ersatzmagazinen und allerlei Marschausrüstung.
    »Weißt du, wie man damit umgeht?«, fragte der Stalker und zog die Pistole aus Glebs Revolvertasche.

    Als Taran den ratlosen Blick des Jungen bemerkte, lud er die Pistole und gab eine kurze Erklärung.
    »Es gibt zwei Einstellungen: Einzelfeuer und Dauerfeuer. Hier ist der Schalter. Die Magazine sind verlängert auf siebenundzwanzig Schuss. Ziemlich schwer, aber macht nichts, du gewöhnst dich dran. Und dieses Teil hier wirst du hüten wie deinen Augapfel.« Der Stalker reichte Gleb eine zusammengerollte Patronentasche, in der sich zigarrenähnliche metallische Spritzen befanden. »Für alle Fälle habe ich die gleiche Packung.«
    Gleb sammelte all seinen Mut und fragte: »Sind Sie … ein Junkie?«
    Der Stalker grinste schief, ging zum Tisch und setzte sich auf den Hocker.
    »Hast du schon mal vom ›Sumpfteufel‹ gehört?«
    Gleb erinnerte sich, dass Palytsch davon erzählt hatte, aber was genau …
    »Ein Insekt. Eine mutierte Mücke.« In den Augen des Stalkers spiegelte sich Wut. »Ihr Biss ist nicht sofort tödlich, aber er verdirbt dein Blut stärker als das Dünnbier, das man bei dem Moskauer Gesocks Ref. 8 an der Majakowskaja bekommt. Ich hab mir ein Fieber eingefangen. Einen Virus. Den kannst du durch nichts ausmerzen. Ein richtiger ›Teufel‹ eben. Hab schon jede Menge Medizin ausprobiert. Nur die Veganer konnten mir helfen.«
    »Aber die sind doch unsere Feinde!«, schrie Gleb auf. Er ballte seine Fäuste. »Sie haben meine Eltern …«
    Der Junge stockte. Er brachte dieses schreckliche Wort nicht über die Lippen. Es auszusprechen hätte bedeutet, ein endgültiges Urteil zu fällen und jegliche Hoffnung zu verlieren.

    »Natürlich, diese Veganer sind Blutsauger. Aber selbst der ausgemachteste Schurke kann ein hervorragender Geschäftspartner werden, wenn man richtig verhandelt und sich absichert. Umso mehr in unserem stinkenden Ameisenhaufen, der sich stolz ›Untergrundbahn‹ nennt. Merk dir das, Junge.« Der Stalker zog aus dem Futteral eine der zigarrenförmigen Spritzen heraus, in der sich eine bräunliche Flüssigkeit befand. »Ich hab keine Ahnung, was sie da reingemischt haben, aber der Extrakt mildert die Anfälle. Mach also schnell, wenn es mich das nächste Mal erwischt. «
    Gleb verstaute das Medikament in der Gürteltasche. Er entsicherte seine Pistole, steckte sie in die Revolvertasche und folgte dem Stalker zu dem Ausgang, den er von seinem gestrigen Ausflug schon kannte.
    Der Stalker verschloss die Tür von außen und führte den Jungen den langen Gang entlang. In Tarans Gesellschaft und dazu noch mit einer Waffe ausgerüstet hatte Gleb keine Angst mehr. Auch der Keller des Krankenhauses erschien in dem hellen Licht der Stirnlampe nicht mehr ganz so düster. Wie sich herausstellte, stand in jener unglückseligen Ecke nichts als ein an die Wand gelehnter zusammengerollter Teppich. Peinlich berührt dachte der Junge an sein Erlebnis vom Vorabend zurück. Während sie die Treppe hochstiegen, passierten sie einige weitere
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