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Die Reise-Bibel

Titel: Die Reise-Bibel
Autoren: Harald Braun
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ihrer Begleitung,
     der die lautstarke und erregte Debatte schon den ganzen Weg von der Rezeption bis zum Pool moderiert. Hauptsächlich geht es
     um die Rechte der Urlauber und um eine Horde unverschämter Proleten von der Insel und dass man seine Nachtruhe schließlich
     nicht vergeblich geopfert habe.
    »Aber meine Damen, meine Herren, das ist doch ganz allein unsere Schuld! Unser Personal hat es versäumt, heute morgen ausreichend
     Stühle am Pool aufzustellen, ich hoffe, Sie sehen uns das nach! Wir lassen Ihnen gleich einen Drink Ihrer Wahl servieren,
     selbstverständlich auf Kosten des Hauses!«
    |174| Für einen Hoteldirektor ist der ein wenig an Sascha Hehn erinnernde Friederich Leinthaler aus der Steiermark noch ein junger
     Mensch, doch mithilfe der Autorität seines Amtes hat er schon so manchen Konflikt in seinem Haus – drei Sterne, eine Wellnessanlage,
     vier Tennisplätze mit Flutlicht – beigelegt. Und das wird ihm auch heute gelingen. Nonchalant weist er seine Boys an, die
     aus einem seitlich gelegenen Lagerraum herangeschafften Liegestühle im Poolbereich zu verteilen. Auch Jimbo, der Poolwart,
     der gleichzeitig den Getränkenachschub organisiert, ist an dieser Neuschaffung von Liegefläche beteiligt. Während sein Boss
     lässig an der Poolbar lehnt, übernimmt er den Showpart.
    »So, jetzt ist auch wieder Platz für alle Herrschaften. Deutschland auf dieser Seite, England auf der anderen, nach 45   Minuten komme ich mit der Pfeife, dann wechseln wir die Seiten!«
    In den Reihen der Deutschen stößt diese lustige Bemerkung eher auf Befremden, während die Engländer 10   Sekunden später schallend auflachen, als Jimbo seinen Spaß übersetzt hat.
    Die Neuberts und die Sommers nehmen ihre Liegen in Besitz, das Problem ist scheinbar ausgeräumt. Der englische Block applaudiert
     spöttisch.
    »Now you’ve lost the towel-war as well!«, grölt Sid übers Wasser.
    »Korrekt ist des aber nachad ned!«, befindet Herr Obersirchler, der ein wenig angesäuert scheint, weil ihm ein rechter Grund
     zum Granteln ja persönlich eher abgeht, seine Liege wurde schließlich nicht okkupiert. Trotzdem fühlt er sich – stellvertretend
     für seine Landsleute aus Hessen und Niedersachsen – ein Stück weit betroffen. Leise grummelt er in sich hinein. »Des geht
     fei ned, wos die Tommies sich do aufmandln!«
    Seine Frau versteht ihn zwar, zischt ihn aber gleich zur |175| Ruhe, denn Friederich Leinthaler hat das Wort ergriffen. Abwechselnd in Englisch und Deutsch erläutert er, dass man es hier
     im »Sunset Beach Resort«, einem friedlichen Hort der Völkerverständigung, gar nicht sooo gerne sieht, dass die Sonnenliegen
     mit Handtüchern reserviert werden. »Fairness, meine Damen und Herren!«
    In der deutschen Ecke wird das leicht beschämt und unkommentiert zur Kenntnis genommen, während in Birmingham und Umgebung
     laut gejubelt und mit dem ausgestreckten Arm in Richtung Bundesrepublik gegrölt wird:
    »Uh! Uh! Uh!«
    »Wir beschweren uns beim Reiseveranstalter«, meldet sich Herr Neubert, »solch eine Unverfrorenheit, das ist ein Skandal!«
     Fritz Sommer nickt ihm zu, doch er denkt schon pragmatisch darüber nach, wie er die neue Liegestuhlverordnung mit der ursprünglichen
     Zielsetzung kombiniert: »Wie wäre es, wenn wir morgen in Schichten unsere Stühle besetzen, also quasi im Wechsel Präsenz am
     Platz zeigen?«
    Die Herren Neubert und Obersirchler sind gleich Feuer und Flamme.
    »Dös wer fei a guade Sach!«, befindet Herr Obersirchler nachdrücklich, und Herr Neubert ergänzt:
    »Ich mache dann schon mal den Zeitplan, welche Familie sich wann einzufinden hat!«
    11.55   Uhr
    Friederich Leinthaler hat sich am Pool bereits empfohlen. Auf dem Weg zur Rezeption begegnet ihm eine gemischte Familiengruppe
     aus Minsk, die gestern den Großteil der Wodka- und Rumbestände der Hotelbar ausgelöscht hat. Gute Gäste. Und mit dem bisschen
     Lärmbelästigung müssen die anderen Nasen schon klarkommen. Ist ja kein Kuraufenthalt hier. Beiläufig steckt er einen 10 0-Euro -Schein ein, der |176| ihm zusammen mit einer kleinen Bitte ganz offen präsentiert wird. Und er weiß auch gleich, was zu tun ist.
    »Herzlichen Dank, Boris, natürlich sind ein paar schöne Poolplätze jetzt sofort kein Problem. Ich funke gleich Jimbo an und
     sage ihm, dass ihr die Liegen reserviert habt! Er weist euch dann eure Plätze an!«
    Die Russen bedanken sich und trotten langsam davon. Friederich Leinthaler zückt sein
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