Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Die Räuber

Die Räuber

Titel: Die Räuber
Autoren: E.T.A. Hoffmann
Vom Netzwerk:
dieser Augen mußte
    jeden gleich für den alten Herrn einnehmen, denn in ihm ging
    alle herzliche Gemütlichkeit eines lebensfrohen Jünglings auf.
    Der Graf bewies bei dem Empfang der Freunde einen gast-
    lichen Eifer, der ihnen als ganz ungewöhnlich auffallen mußte.
    Selbst ergriff er Hartmanns Arm und half ihn die Treppe her-
    aufführen. Sogleich sollte in seiner Gegenwart der Wundarzt
    des Schlosses Hartmanns Wunde verbinden. Der Wundarzt
    besorgte das mit geschickter kunstgeübter Hand und erklärte
    dann, daß die Wunde auch nicht im mindesten gefährlich sei,
    daß das Fieber nur dem ersten ungeschickten Verbande zuzu-
    schreiben, daß eine einzige ruhige Nacht auch dieses vertrei-
    ben und die Wunde in gar kurzer Zeit völlig heil sein werde.
    Während die Freunde sich nun an den Erfrischungen er-
    labten, die der Graf herbeibringen lassen, gab sich Willibald
    ganz der frohen Laune hin, die die unerwartet günstige Wen-
    dung des bedrohlichen Zufalls, der wahrhaft gemütliche Emp-
    fang und die Aussicht, die wenigen Tage, deren Hartmanns
    Genesung bedurfte, recht behaglich zuzubringen, in ihm ge-
    weckt. Ein Gleiches tat Hartmann, soweit es sein krankhafter
    Zustand erlaubte, und versicherte, daß er nun erst den größ-
    ten Schmerz seiner Wunde fühle. Dieser Schmerz sei aber
    eigentlich nur psychisch und bestehe in der tiefen Betrübnis,
    nicht von dem Tokaier genießen zu dürfen, der so herrlich in
    den blankgeschliffnen Gläsern perle. Auch dieser Betrübnis,
    meinte der alte Graf, müsse abgeholfen werden, und fragte
    den Wundarzt auf Gewissen, ob Hartmann nicht wenigstens
    ein halbes Glas jenes feurigen Weins genießen dürfe. Als nun
    der Wundarzt, wiewohl kopfschüttelnd, einwilligte, da erhob
    der alte Herr sein gefülltes Glas und rief lachend: „Wahrhaftig,
    die Räuber sollen leben, insofern sie nicht von meinen Jägern
    oder von den herumstreifenden Husaren niedergeschossen
    oder niedergehauen sind, denn ihnen verdanke ich eine große
    Wohltat. Ja! ihr lieben wackern Herrn — doch nein, nicht
    Herrn, ihr lieben wackern Freunde. Denn befreundet seid ihr
    mir in euerm Wesen ganz und gar, und mir geht bei euch das
    Herz so auf, als hätt’ ich schon mit euch seit langer, langer
    Zeit die frohsten Tage verlebt, ja, eine wahre Wohltat ist es
    für mich, daß ich euch aufzunehmen in meinem Schlosse Ge-
    legenheit fand.“ — Nach manchem fröhlichen Gespräch hin
    und her, nach manchen drolligen Schwänken, die dieser, jener,
    ja selbst der alte Graf vorgebracht, so daß das anhaltende laute
    Gelächter auf ein lustiges Gelag muntrer Jünglinge zu deu-
    ten schien, meinte der Wundarzt, es sei Zeit, dem Kranken
    Ruhe zu gönnen. Willibald bat es sich aus, bei dem Freunde
    bleiben zu dürfen, und so mußte der alte Herr, der sich un-
    gern von den Freunden trennte, sich mit dem Versprechen
    begnügen, daß beide folgenden Tages unfehlbar bei der Mit-
    tagstafel erscheinen würden. — Er beteuerte, daß ihm die Zeit
    bis dahin gewaltig lang werden und er dem säumenden Koch
    Exekution in die Küche schicken würde, damit er die Tafel
    beschleunige. —
    Die Freunde verwunderten sich höchlich über die jugend-
    liche Lebendigkeit des alten Grafen, sowie über den so aus-
    nehmend gastlichen Empfang, dessen sie sich als gänzlich
    Fremde erfreut, und rühmten das in Gegenwart des jungen
    Menschen, der sich zu ihrer Bedienung eingestellt. „Ach!“
    sprach dieser mit gutmütigem treuherzigen Ton, „ach meine
    lieben gnädigen Herren, das ist nicht immer so! Der gnädige
    Herr Graf, ja, der ist gar zu gern froh und vergnügt und dabei
    die Gnade und Güte selbst gegen jedermann, aber er kann es
    ja nur, wenn fremde Gäste kommen, aber die kommen selten,
    beinahe gar nicht, denn keiner mag — Nun, wenigstens sind
    solche fröhliche liebe Gäste, wie Sie es sind, und wie sie eben
    recht passen für unsern gnädigen Herrn Grafen, hier nicht
    gewesen seit Gedenken. Ach! wenn nur nicht —“
    Der junge Mensch stockte, die Freunde blickten ihn
    schweigend an, gespannt durch das Geheimnisvolle, was in
    der Rede lag.
    Da fuhr der junge Mensch fort: „Nun, warum sollt’ ich
    es denn nicht sagen, es ist hier im Schlosse nicht alles so, wie
    es sein sollte, es gibt viel Kummer und Gram, und soviel un-
    sereins mit seinem schwachen Verstande begreifen kann und
    davon erfahren hat, mag wohl Grund genug dazu vorhanden
    sein. — Sie bleiben gewiß noch lange Zeit hier, meine gnädi-
    gen Herren, unser
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher