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Die Räuber

Die Räuber

Titel: Die Räuber
Autoren: E.T.A. Hoffmann
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Ihnen nicht verdrießlich,
    ja höchst fatal sein, einen schlechten Charakter darstellen zu
    müssen?“
    „Wenn,“ erwiderte der Graf lachend, „wenn die Rolle sonst
    interessant ist und Gelegenheit gibt, das Talent zu entwickeln,
    wie es denn bei Bösewichtern gewöhnlich der Fall zu sein
    pflegt, ich würde und könnte mich eben nicht sträuben.“
    „Nun dann,“ fuhr Willibald fort, „mein Freund Hart-
    mann meinte gestern scherzend, hier in einem alten prächti-
    gen Schloß wären die eben auch in einem Schloß spielenden
    Hauptpersonen der Schillerschen Räuber versammelt, bis auf
    Hermann und den alten Daniel; als nun bei der Tafel wirklich
    solch ein alter Diener namens Daniel —“
    Willibald stockte, da er wahrnahm, daß furchtbare Toten-
    blässe des Grafen Antlitz überzog, daß er wankend sich kaum
    aufrecht zu erhalten vermochte.
    „Verzeihen Sie,“ sprach er mit bebenden Lippen, „verzeihen
    Sie, meine Herrn, eine Art von Schwindel — ich fühle mich
    plötzlich krank!“ — Sich mit Mühe ermannend, verließ der
    Graf das Zimmer.
    „Was ist das, was geht hier vor?“ sprach Hartmann.
    „Hm,“ erwiderte Willibald, „toller Spuk, Teufeleien! — Ich
    glaube, du hattest recht, als du meintest, der Hase, der hier im
    Pfeffer liege, sei ein böses Tier. Entweder ist Graf Franz wirk-
    lich auf irgendeine Weise schuldbelastet, oder der Gedanke an
    jenes entsetzliche Verhältnis Amaliens in den Schillerschen
    ‚Räubern‘, woran ich ihn sehr unvorsichtigerweise erinnerte,
    zerschnitt so tötend sein Herz. — Ich hätte schweigen sollen;
    wer konnte aber auch wissen —“
    „Nur,“ unterbrach Hartmann den Freund, „nur jedenfalls
    mußte es den Grafen kränken, sich plötzlich in der Rolle jenes
    höllischen Bastards zu sehen, und schon deshalb hättest du
    nicht mit der Wahrheit herausrücken, sondern auf der Stelle
    irgendeine andere Ursache unsers Erstaunens angeben sollen.
    Gar keine Lust spüre ich übrigens, tiefer in das Geheimnis,
    das hier obwaltet, dringen zu wollen, und da meine Wunde
    beinahe ganz geheilt, halte ich für das Geratenste, den alten
    Grafen zu bitten, daß er uns morgenden Tages fortschaffen
    lasse bis zur nächsten Station.“
    Willibald meinte dagegen, es sei doch besser, noch ein paar
    Tage zu verweilen, damit Hartmanns gänzliche Genesung
    keinen Rückfall und neue Störung der Reise befürchten lasse.
    Die Freunde gingen in den Park. Als sie sich einem ent-
    fernten Pavillon näherten, hörten sie, wie in demselben ein
    Mann zornig sprach, und dazwischen Klagetöne eines Wei-
    bes. Sie glaubten die Stimme des jungen Grafen zu erkennen
    und vernahmen, als sie dicht an die Türe getreten waren, ganz
    deutlich die Worte: „Wahnsinnige, ich weiß, daß du mich ver-
    abscheuest, weil ich dich anbete, weil mein ganzes Wesen nur
    in dir lebt, atmet! — Aber ihn trägst du im Herzen, ihn, den
    Verruchten, der Schande auf Schande über uns häuft. Fliehe,
    betörtes Weib, fliehe hin, suche ihn auf, den Abgott deiner
    Liebe, er wartet deiner in der Räuberhöhle oder im finstern
    Kerker! — Doch nein, nein, jenem höllischen Teufel zum
    Trotz lasse ich dich nicht aus meinen Armen.“
    „Bösewicht — Hilfe! Hilfe!“ — so kreischte die weibliche
    Stimme laut auf.
    Willibald stieß ohne weiteres die Türe ein. Gräfin Amalia
    riß sich aus den Armen des jungen Grafen und entfloh mit der
    Schnelligkeit des aufgescheuchten Rehs.
    „Ha!“ rief der Graf den Freunden mit entsetzlicher Stimme
    entgegen, indem seine Augen funkelten in wilder Glut, „ha! —
    Ihr kommt eben recht! — Ja, ich bin Franz! ich will es sein!
    ich muß es sein — ich —“
    Plötzlich war seine Stimme erstickt, und mit dem kaum
    vernehmbaren Wort: „Helfer!“ — sank er nieder.
    So zweideutig den Freunden der ganze Auftritt auch er-
    schien, so sehr sie überzeugt waren, daß der Graf in seinem
    Tun wirklich jenem satanischen Bösewicht ähnlich, doch
    mußten sie einsehen, daß es Pflicht war, ihm beizustehen. Sie
    richteten den Grafen auf, setzten ihn in einen Lehnsessel, und
    Hartmann bestrich seine Stirne mit einem kräftigen Spiritus,
    den er bei sich zu tragen pflegte.
    Mühsam erholte sich der Graf und sprach, beider, Willi-
    balds und Hartmanns Hand erfassend, mit einem Ton, der
    von dem tiefsten herzzerreißendsten Jammer zeugte: „Sie
    haben recht! — ein Trauerspiel, ebenso entsetzlich als jenes,
    an das die Namen unsers Hauses Sie erinnerten, wird viel-
    leicht hier
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