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Die Quelle

Die Quelle

Titel: Die Quelle
Autoren: Larissa Cosentino
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Anmut in sich barg. Sogar die leichte Müdigkeit,
die ihr Gesicht zeichnete, vermochte ihre Schönheit noch zu
unterstreichen. Anthalion setzte sich ebenfalls hin, doch er blieb in
vorsichtiger Distanz zu ihr.
    „Du hast dich schnell erholt, Kind. Wie ich sehe, habe
ich es nicht geschafft, dich in den Wahn zu treiben… Oder ist es vielleicht
doch ein Anflug von Wahn, der dich dazu geführt hat, mir in der Nacht
alleine entgegen zu treten? Nun, sprich. Was möchtest du mir diesmal
für einen Vorschlag unterbreiten?“
     
    Stella blickte auf den Herrscher. Sie war seiner Worte
überdrüssig. Jeder einzelne Satz aus seinem Munde hatte den
Beigeschmack von Gift… und doch war er hier…
    „Nicht ich habe den Wunsch geäußert, dich zu
treffen. Es waren Loodera und Ruvin. Ich weiß jedoch nicht, was sie von
uns erwarten.“
    Anthalion stand wieder auf. Er trug vermutlich zu viel
Unruhe in sich, als dass er hätte lange sitzen bleiben können.
Plötzlich lachte er laut in die Nacht hinein.
    „Wir sind nur Narren! Ein Kind der Quelle und ein Gott
treffen sich nachts im Wald, auf Anraten zweier kümmerlichen Geister! Wir
sollten das Ganze einfach vergessen und uns unseren Albträumen widmen.
Womöglich sind sie weitaus spannender als ein Gespräch mit einem
selbstgerechten Wesen wie dir.“
    Ob mit Absicht oder nicht, Anthalion hatte ihr nicht nur
Bösartigkeiten entgegen geworfen, sondern auch gerade eine Hintertür
zu seiner Seele geöffnet. Stella bot ihm dasselbe an.
    „Ein Gespräch zwischen uns beiden kommt meinen
heutigen Albträumen sehr nahe.“
    Anthalions Blick verlor zwar ein wenig von seiner
Selbstherrlichkeit, dennoch zeichnete sich ein leises Lächeln auf seinen
Lippen ab. Seine Stimme wurde leiser, vertraulicher, und Stella erschauderte
diesen intimen Tonfall aus dem Munde des Wesens zu hören, der es so sehr
genossen hatte, sie zu foltern.
    „Ich komme in deinen Albträumen vor?“
    Was auch immer Loodera mit diesem Treffen bezweckt hatte,
Stella fühlte, dass sie das Risiko eingehen musste, ihrem Feind ein wenig
Schwäche zu offenbaren.
    „Ich habe dir einen Einblick in meinen Geist
gewährt, als deine Folter mich an den Rand des Wahns getrieben hat. Ich
denke nicht, dass du das vergessen hast. Glaubst du wirklich, dass ich jemals
wieder dieselbe sein werde? Was auch immer auf mich wartet, die Erinnerung an
dich wird mich ewig verfolgen... Darin hast du gesiegt.“
    Anthalions Stimme wirkte plötzlich nur noch wie ein
Flüstern, als fürchte er sich vor seiner eigenen Antwort.
    „Dann werden wir wohl beide mit diesem Albtraum leben
müssen und zwar in aller Ewigkeit… die Ewigkeit... Ist dir eigentlich
bewusst, dass Menschen dieses Wort nicht verstehen, obwohl sie es allzu gerne
verwenden? Die Ewigkeit übertrifft ihr Vorstellungsvermögen. Sich
ewig erinnern… Göttliche Seelen genießen nicht die Gunst des
Vergessens, wie die der Sterblichen es tun. Während menschlicher Schmerz
nach einigen Leben verblasst ist, wird meiner ewig währen. Wie sieht es
bei dir aus, Kind?“ Stella antwortete nicht, doch sicherlich konnte Anthalion
leicht an ihrem Gesichtsausdruck erkennen, dass sie sein Los teilte, denn seine
Stimme wurde etwas milder. „Ich denke nicht, dass einer von uns dabei gesiegt
hat. Wir haben beide verloren und nur wir wissen, was wir uns damit auferlegt
haben.“
    Anthalion näherte sich langsam, er wirkte
freundlich, doch wie Stella wusste, war der wahnsinnige Gott launisch und
schwer einzuschätzen. Er bemerkte sicherlich, wie Stella zurückwich,
als er näher kam, dennoch blieb er erst kurz vor ihr stehen. Seine
Ausstrahlung wirkte trotz seiner versöhnlichen Worte bedrohlich. Stella
stand auf, bereit sich falls erforderlich gegen einen Angriff zu wehren. Er
belächelte sie, doch er ließ sich von ihrem Verhalten nicht von
seiner Rede abbringen.
    „Was wollen wir jetzt tun, Kind? Was bringt uns dieses
Gespräch? Wollen wir nur herausfinden, wer von uns mehr leidet? Wollen wir
uns vielleicht mehr Leid zufügen, damit unsere Ewigkeit nicht langweilig
wird? Oder beenden wir das Ganze hier und jetzt?“
    Stellas Gedanken rasten. War er bereit nachzugeben oder
wartete er nur darauf, ihre Schwäche auszunutzen? Seine physische
Nähe erdrückte sie, sie wäre am liebsten vor ihrem einstigen
Peiniger davon gerannt. Stattdessen setzte sie sich wieder hin, um zu
antworten, und nahm somit in Kauf, dass er auf sie herabsehen konnte.
    „Wie wär’s, wenn du dich zu mir setzt und
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