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Die Probe (German Edition)

Die Probe (German Edition)

Titel: Die Probe (German Edition)
Autoren: H. J. Anderegg
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begrüßte Dylan sie. Die Männer benötigten keine lange Erklärung. Jeder kannte Ed, und jeder kannte den Zugangsstollen.
    »Ich brauche eine Ausrüstung«, sagte Charlie, als zwei ehemalige Bergleute und zwei jüngere Guides aufbrechen wollten. Sein Ton ließ keinen Zweifel daran, dass er es ernst meinte, doch Dylan wehrte ab:
    »Überlassen Sie das den Jungs, sie kennen sich hier bestens aus und werden ihn finden.«
    »Ich will dabei sein. Hören Sie, ich bin Geologe und gewohnt, in dunklen Höhlen herumzukriechen, das können Sie mir glauben.«
    »Das stimmt, und verrückt ist er auch«, rief Lauren, die unbemerkt herbeigehumpelt war. Nach dem Blick zu urteilen, den sie ihm zuwarf, verstand sie das als Kompliment. »Na, glotzt nicht so, macht endlich vorwärts!«, grinste sie, als sie die Männer sprachlos anstarrten.
    Die improvisierte Rettungsmannschaft setzte sich in Bewegung. So unauffällig wie möglich stiegen sie ins Tal hinunter, stets darauf bedacht, dass Napoleon und seine Truppen sie nicht sehen konnten. Nach ein paar hundert Metern standen sie vor dem halb verwachsenen Stolleneingang. Einer der Führer schloss das Gitter auf und stieg ein. Charlie heftete sich an seine Fersen. In mühsam geduckter Haltung stiegen sie den abschüssigen Stollen hinauf bis das Gefälle abnahm. Sie hielten an und horchten. Es blieb mäuschenstill. Sie warteten eine Weile, dann prüfte der Vordermann sein Gas-Messgerät.
    »Das Methan wird wohl jetzt weg sein«, scherzte einer der Männer, aber keiner lachte. Sie begannen zu rufen, lauschten, riefen, lauschten. Der Berg gab keine Antwort. Der Stollen mündete in eine kleine Kaverne, von der zwei weitere Gänge abzweigten, jeder verschlossen mit einer dicken Holztür, die als Wetterschleuse diente. Nacheinander öffneten sie die Türen, leuchteten in die Gänge, die hier großzügiger angelegt waren und begannen wieder zu rufen. Unschlüssig, welchen Weg sie nehmen sollten, zogen sie sich in die Kaverne zurück. In dem Augenblick, als sich die Lichtkegel ihrer Lampen wieder aus den Stollen zurückzogen, glaubte Charlie etwas aufblitzen zu sehen.
    »Halt! Macht das Licht aus!«, rief er und drückte den Schalter an seiner Lampe. Zögernd folgten die Anderen seinem Beispiel. Kein Lichtquant hätte die absolute Dunkelheit stören dürfen, aber die Schwärze war nicht perfekt. Er hatte sich nicht getäuscht. Weit hinten in einem der Gänge leuchtete ein schwacher Lichtschein. Einen Atemzug lang war es totenstill, dann brachen alle Männer gleichzeitig in frenetischen Jubel aus. Charlie schlug das Herz bis zum Hals, als sie dem Licht entgegen eilten. Hinter einer Krümmung kam die Lichtquelle zum Vorschein. Am Boden brannte eine Grubenlampe, wie er sie auf dem Kopf trug. Sie lag mit dem Helm neben dem Körper eines alten Mannes, der auf dem Rücken zu schlafen schien. Einzig sein blutverschmiertes Gesicht störte das friedliche Bild.
    »Ed, verdammt, es ist Ed!«, schrie der Anführer und beugte sich über den Körper. Charlie kniete sofort neben ihn und fühlte den Puls an der Halsschlagader.
    »Er lebt«, verkündete er freudestrahlend. Es war, als hätte er selbst wie durch ein Wunder diese Katastrophe überlebt. Jetzt sah er auch, dass Ed regelmäßig atmete. Er schien in der Tat einfach zu schlafen. Erschöpfung, schloss Charlie.
    Zu zweit trugen sie den Verletzten vorsichtig hinaus, während die Anderen die weitere Umgebung absuchten. Kurz bevor sie ans Tageslicht kamen, begann sich der schlaffe Körper plötzlich zu regen. Ed zappelte, als kämpfte er gegen Windmühlen. Er schlug die Augen auf und glotzte sie eine Weile verständnislos an, bis er sich erinnerte, was geschehen war.
    »Ich bin einfach nicht totzukriegen, was?«, grinste er und wollte keinen Schritt weiter getragen werden. Charlie stellte ihn behutsam auf die Füße und lachte:
    »Ed, altes Haus. Schöne Grüße von Lauren. Du kannst dich auf etwas gefasst machen, sie sucht dich schon die ganze Zeit.« Obwohl er sich kaum auf den Beinen halten konnte, keuchte und hustete, begann Ed sein Abenteuer eindringlich zu schildern. Eine Geschichte, die sich noch viele Leute immer wieder würden anhören müssen, vermutete Charlie.
    »Ich glaube, den Hauptstollen gibt’s nicht mehr«, sagte Ed nachdenklich. »Die Explosion hat ihn zugeschüttet. Das hat dem alten Ed das Leben gerettet.«
    »Und der Smarte, wie du ihn nennst, war er im Hauptstollen?«
    »Ist er immer noch, das Arschloch, aber ziemlich flach und nicht
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