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Die Priestertochter: Historischer Roman (German Edition)

Die Priestertochter: Historischer Roman (German Edition)

Titel: Die Priestertochter: Historischer Roman (German Edition)
Autoren: Titus Müller
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der Menge Zeit zu verstehen. »Der Gott der Franken ist Svarogh nicht untertan. Der Gott der Franken ist Svarogh überlegen.«
    Nevopor knurrte: »Seht ihr es nun? Seht ihr, daß er den hohen Vater entehrt und Svarožić, seinen Sohn? Dieser Mann muß sterben.«
    »Daß ich sterben werde, weiß ich. Aber der Allmächtige, wie ihn mein Freund Tietgaud nannte, hat in seiner Gnade gestattet, daß ich vorher noch erkennen darf, wer die Geister regiert. Der höchste Gott ist nicht in den Bäumen, so erklärte mir Tietgaud einmal, und ich weiß nun: Er hat recht.« Uvelan wandte sich um und sah zum hohen Dach, das über die Geisterstatuen ragte. »Gott ist auch nicht im Tempel.« Er blickte wieder zum Volk. »Gott ist hier. Hier!«
    »Frevler!«
    »Er ist doch völlig verwirrt!«
    »Ein böser Geist ist in ihn gefahren, ein Dämon.«
    »Das ist nicht der Bote des hohen Vaters!«
    »Tötet ihn endlich.«
    Uvelan trat zornig auf die Menge zu. Er brüllte: »Was ist aus Euren Gebeten geworden! Aus eurer Ehrfurcht. Aus eurem Glauben! Ihr fragt danach, ob ihr einen Krieg gewinnt oder nicht. Um Macht geht es euch, um nichts anderes mehr. Ihr opfert Blut. Welchen Gott kann man damit erfreuen?«
    Die Rufe verstummten. Beschämt schwiegen die Menschen.
    »Denkt ihr allen Ernstes, einer, der sich über Sterbende freut, wird euch Leben schenken? Wann dankt ihr für das, was auf euren Feldern wächst? Wann dankt ihr für eure Kinder? Wann bittet ihr um Heilung oder schließt vor Gott den Ehebund? Svarogh bewahrt das Feld und die Familie, er verbrennt sie nicht. Christus ist gekommen, um zu retten, und nicht, um zu töten. Das sind Götter, denen Ehre gebührt.«
    »Ha!« Nevopor erschien neben ihm. »Hat Svarogh deiner Familie Leben gebracht? Tot sind sie, allesamt.«
    »Bevor der Allmächtige zum Geist wurde«, sagte Uvelan, »versprach er seinen Nachfolgern, daß er zurückkehren würde. Der Tag kommt. Er wird diese Weltordnung beenden. Christus errichtet ein neues Reich, eines, das niemand erobern kann und in dem Hunger, Schwert und Kälte unbekannt sein werden. Gemeinsam mit Tietgaud, den ihr getötet habt, werde ich den Anbruch der Ewigkeit feiern. Wendet euch ab von Svarožić, dem Blutigen. Dient dem Allmächtigen, dem Vater des Friedens!«
    »Genug!« brüllte Nevopor. »Seht ihr, daß er den Tod verdient?« Mit raschen Schritten trat er an Uvelan heran, musterte ihn. Es war kein feindseliger Blick, eher offene, erstaunte Neugier.
    Auch Nevopor mußte dem Allmächtigen gehorchen. Uvelan musterte die breite Stirn des Widersachers, die kleinen Falten in den Augenwinkeln. Rote Spritzer übersäten die Wangen und hingen im Bart wie der Schlamm, den die Hufe eines Pferdes aufwarfen.
    »Ich hätte nicht gedacht, daß du es mir so leicht machst. Um ehrlich zu sein, verblüfft es mich ein wenig.«
    »Öffne die Augen. Dich wird noch mehr erstaunen.«
    »So? Was soll das sein?«
    »Du kannst mich nicht töten. Nicht dauerhaft.«
    »Immer noch hast du dieses Maßlose an dir. Bei niemandem aus deiner Familie war die Selbstüberschätzung so grauenhaft ausgebildet wie bei dir. Aber ich gebe zu, du beeindruckst mich. Beinahe wäre es dir gelungen, die Menge auf deine Seite zu ziehen. Nur hast du ihr nicht gegeben, was sie brauchte, um sich gegen mich aufzulehnen. Hättest du diesen Christengott herausgelassen! Hast du nicht gespürt, daß du von den falschen Dingen sprichst?«
    »Wahrheit richtet sich nicht danach, was im Augenblick nützlich ist.«
    »Aber es nützt der Wahrheit mitunter, wenn man sie den Wünschen des Volkes anpaßt. Ich wußte, das Volk würde einen großen, prächtigen Tempel lieben. Also habe ich ihm einen gegeben. Nun verehrt es auch mich.«
    »Die, die dich heute verehren, werden sterben. Du wirst sterben. Die Lüge hat nur Schande über dich gebracht. Die Götter verachten dich, die Geister trauern über deine Verirrung.«
    »Du zeigst erstaunliche Kraft in deinen letzten Stunden. Woher nimmst du die? Du bist ein Gescheiterter und verhältst dich wie ein Sieger.«
    »Wer sich der Wahrheit stellt, kann nicht wirklich scheitern.«
    Nevopors Züge wurden hart. »Du hast mir Kara geraubt. Du hast mich betrogen und sprichst von Wahrheit? Nun hast du mir auch noch Alena genommen. Eigenhändig werde ich dir dafür die Glieder vom Leib schlagen!«
    »Warum hast du ihnen nie zugehört? Kara und Alena wollten dir etwas sagen.«
    Er preßte hervor: »Mir etwas sagen!« Dann, ruhiger: »Du meinst, daß mein Weg der falsche
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