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Die Poison Diaries

Die Poison Diaries

Titel: Die Poison Diaries
Autoren: Maryrose Wood
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ist sie?«
    »Warum gehst du nicht selbst und schaust nach?« Sie sprechen ohne Hohn. Ich schüttele den Kopf.
    »Ich kann nie wieder zu den Menschen zurück.«
    »Wegen des Mädchens?«
    »Wegen dem, was ich für sie getan habe. Ich habe einen Mann getötet, einen dummen Mann, der mir nichts zuleide tun wollte, und der Jahreswechsel wird ihn nicht zurückbringen. Die Menschen werden mir das nie verzeihen.«
    »Für sie ist der Tod endgültig.« Die Mimosen sagen es, als ob sie es verstehen würden, aber das können sie nicht. »Es ist nicht leicht für dich, im Wald zu leben«, fügen sie nach einer Weile hinzu.
    »Nein.«
    »Es ist auch nicht leicht für den Wald.«
    »Ich verlange nichts von dem Wald, außer in Frieden gelassen zu werden.«
    Das Licht wird schwächer. Laub wird über das Moor geweht, ein Gewirbel aus Rot, Gelb und Braun.
    »Es wird Zeit für dich zurückzukehren, Weed.«
    Ich will das nicht hören.
    »Der Wald wandelt sich, wie stets im Rhythmus der Jahreszeiten. Alles geschieht in Harmonie, Geduld, Ruhe …«
    Was sie wirklich meinen, bleibt unausgesprochen. Aber ich höre es trotzdem, so deutlich wie der kühle Wind, der über dieses Hochmoor pfeift: Es ist besser, wie die Pflanzen zu sein als wie ich. Denn ich bin entwurzelt. Voller Wut. Voller Willkür. Voller Verzweiflung.
    »Du bringst die Welt des Waldes durcheinander«, sagen sie in ihren sanften, klingenden Stimmen. »Du bist unruhig und von Leidenschaften erfüllt, die wir nicht begreifen. Du musst zu deinesgleichen zurückkehren. Geh zu den Menschen zurück. Bringe deine Angelegenheiten mit ihnen ins Reine, was auch immer das zu bedeuten hat. Stell dich deinen Taten.«
    »Ich kam zu euch, weil ich Trost suchte. Stattdessen – wieder Verbannung.« Ich erhebe mich, aber wohin kann ich diesmal fliehen? Von diesem hohen Aussichtspunkt aus kann ich über das Dach des Waldes zu den Türmen von Alnwick Castle blicken. Die steinernen Zinnen verschwimmen im grauen Himmel. In den Wachtürmen brennen Fackeln, glühend rot wie heiße Kohle.
    »Ich kann nicht«, sage ich mit brechender Stimme. »Oleander ließ mich schwören, dass ich niemals zurückkehre. Bei Jessamines Leben musste ich schwören!«
    »Oleander!« Die Mimosen erbeben vor Zorn. »Sein Reich ist das Werk des menschlichen Apothekers. Er hat diese verwünschten Pflanzen zusammengetragen. Er hat ihnen ein Heim gegeben, wo sie nie hätten wachsen dürfen. Er ließ sie sich verbünden, auf eine Art, wie es die Natur niemals gestattet hätte. Oleander war einstmals einer von uns. Jetzt ist er eine große Gefahr. Für dich. Für alle von uns.«
    Eine Windbö fegt über das flache Hochplateau und lässt alle Pflanzen erzittern. Nachdem sich der Wind gelegt hat, zittern die Mimosen noch immer – jetzt vor Angst, wie es scheint. »Du musst zurückgehen. Geh zurück an den Ort, den ihr Menschen Hulne Abbey nennt. An diesen verfluchten Ort, wo der entsetzliche Garten wächst.«
    »Geht es um Jessamine? Ist ihr etwas zugestoßen?«
    Die Blumen klingen jetzt panisch. »Kehr um. Geh zurück. Geh und sieh selbst.«

Kapitel 4
    30 . August
    Heute bin ich früh aufgestanden. Ich habe schon einen Beutel mit Proviant und Wasser gepackt, denn für das, was ich brauche, muss ich weit wandern.
    Es scheint närrisch, so viele Meilen zu laufen, um die Pflanzen zu sammeln, die auch hier in der Nähe wachsen. Aber mich an Vaters Garten zu vergreifen, ist zu gefährlich. Er trägt den Schlüssel stets bei sich und ein Einbruch würde nicht unbemerkt bleiben. Ich will nichts riskieren.
    Ich habe keine Angst. Um ehrlich zu sein, bin ich erregt. Heute beim Abendessen werde ich erledigen, was ich zu tun geschworen habe.
    Dann wird der Tod meiner Mutter gerächt sein. Und wenn Oleander wirklich sein Wort hält, kann mein eigenes Leben beginnen.
    S pät am Nachmittag kehre ich zurück, obwohl der Himmel so grau und wolkenschwer ist, dass es mir schon wie die Abenddämmerung vorkommt. Ich wasche mir den Staub des Tages ab; ich bin schmutzig wie ein Grabräuber. Dann steige ich in ein frisches Kleid. Alles, was ich tue, ist gewöhnlich und zugleich außergewöhnlich. Denn obwohl meine Handlungen alltäglich sind, habe ich, während ich sie bislang vollzog, nie gewusst, was ich heute weiß, oder geplant, was ich nun plane.
    Nachdem ich mich angezogen habe, widme ich mich der gewöhnlichsten Aufgabe von allen: Ich koche das Abendessen für meinen Vater.
    Ich lasse mir Zeit, denn im Herbst, wenn alles reif ist,
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