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Die Pilgerin von Passau: Historischer Kriminalroman (Historischer Roman) (German Edition)

Die Pilgerin von Passau: Historischer Kriminalroman (Historischer Roman) (German Edition)

Titel: Die Pilgerin von Passau: Historischer Kriminalroman (Historischer Roman) (German Edition)
Autoren: Maren Bohm
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Geburt gesehen hatte. Ja, nicht einmal zur Beerdigung seines Vaters war er erschienen. Vielmehr hatte er seinem weitaus älteren Bruder schriftlich mitgeteilt, genauer, durch einen Boten die Nachricht überbringen lassen, er werde für die Seele seines Vaters beten und Messen lesen, um ihm die Zeit im Fegefeuer zu verkürzen. Zu verkürzen! Das hieß doch, der Abt ging davon aus, dass sein Vater die Qualen des Fegefeuers erlitt, er jedoch keineswegs beabsichtigte, den Versuch zu unternehmen, ihn von dieser Pein zu erlösen. Alice fand das unbarmherzig und sie ahnte, dass auch sein unerwarteter Besuch nicht aus brüderlicher Liebe erfolgt war.
    Nur wusste sie nicht, warum. Alice bemühte sich, dies herauszufinden, als sie an der großen Tafel saß, die zu Ehren des Grafen und des Abtes mit unzähligen Kerzen geschmückt und mit ausgefallenen Speisen übersät war, und den Gesprächen zuhörte, was sich bei dem allgemeinen Lärm als schwierig erwies. Alice beugte sich vor, zerbröckelte vor Aufregung das selten gereichte Weizenbrot und spitzte die Ohren.
    Eben wandte sich der Abt zu dem Grafen Otto von Baerheim, der, massig und Furcht einflößend, die Stirnseite des Tisches einnahm und sein Messer fest in der Faust hielt.
    »Das ist eben so«, sagte der Abt in beschwichtigendem Ton. »Ihr seid nicht die einzigen Herren. Kaum ein Adeliger kann seine Teilnahme am Kreuzzug aus eigenen Mitteln finanzieren, sondern muss seinen Besitz verpfänden. Selbst der Heerführer Herzog Gottfried hat seinen Anspruch auf Verdun an Bischof Richer verkauft und sein Lehen Bouillon gegen 1300 Silbermark und drei Goldmark an den Bischof von Lüttich verpfändet.«
    »Und wenn der Ritter auf der Pilgerfahrt stirbt oder als armer Mann zurückkehrt, dann behält die Kirche alles für sich und wird reicher und reicher«, bemerkte des Grafen Sohn Bernhard ziemlich scharf, während er mit seinen Fingern die Haut von seiner Taube abzog und verspeiste.
    Der Abt erwiderte zunächst nichts darauf, sondern beobachtete, wie Bernhard seine Finger in die bereitstehende Wasserschale tauchte und sie danach mit einem weißen Tuch abtrocknete.
    »Ich verstehe Eure Sorge, Ritter Bernhard«, antwortete der Abt dann und warf dabei einen erstaunten Blick auf Graf Otto.
    »Ihr seid der einzige Sohn und wenn Ihr im Kampf auf der Pilgerreise den Tod findet, stirbt mit Euch die direkte Linie der Grafen von Baerheim aus. Doch ich bin überzeugt, Ihr werdet nicht zu denjenigen gehören, die sich, mittellos und heruntergekommen, nach der Eroberung Jerusalems hier wieder einfinden. Ihr werdet, mit Schätzen beladen, aus dem Heiligen Land zurückkehren und die an das Kloster verpfändeten Ländereien mitsamt den hörigen Bauern auslösen.«
    Bernhard lachte bitter.
    »Nur sachte, Euren Ruf als begnadeter Ritter habt Ihr schon begründet. Es gibt nichts Ruhmreicheres, als den Gegner im Zweikampf zu besiegen und zu töten.«
    Offenbar ließ sich Bernhard von dieser Schmeichelei nicht besänftigen, denn er machte eine abwehrende Handbewegung und entgegnete überraschend ernst:
    »Ich bin nicht unverwundbar. Ich habe nicht wie Siegfried in Drachenblut gebadet.«
    Graf Otto hob seinen Kopf, ließ die Hand, in der er eine Haxe hielt, sinken und sah Bernhard durchdringend an, ein Blick, der dem Abt nicht entging. Der überbrückte das Schweigen, indem er sagte:
    »Es hat mich immer wieder erstaunt, dass unser ehrwürdiger Bischof Pilgrim, Gott habe ihn selig, obwohl er mit ganzer Tatkraft das Christentum in Passau vorangetrieben hat, ausgerechnet den Sagenstoff der Nibelungen hat sammeln lassen. Nur Hinterlist, Rache und Mord.«
    »Und keine Gnade!«, stieß Alice’ Vater hervor.
    Er räusperte sich und forderte Alice gegen seine Gewohnheit ziemlich unfreundlich auf, sie solle nun endlich, es sei schließlich schon spät, die Tafel verlassen und ins Bett gehen. Beim Hinausgehen drehte sich Alice noch einmal um und betrachtete die festliche Gesellschaft. Der Abt unterhielt sich gerade mit Martin, der ihm Wein einschenkte. Es fiel ihr auf, es verwunderte sie geradezu: Der Abt war schön und es war, als würde sein Gesicht von einem nicht erklärbaren Glanz erstrahlen. Das war verwirrend.

    Alice hörte gegen Mitternacht, wie sich die Ritter zurückzogen.
    Sie hatte noch keinen Moment die Augen geschlossen. An Schlaf war überhaupt nicht zu denken. Alice hatte sich zwar auf ihr Bett gelegt, blieb aber angekleidet. Schon die Tatsache, dass sich die Kreuzritter hier eingefunden
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