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Die Pest Zu London

Die Pest Zu London

Titel: Die Pest Zu London
Autoren: Daniel Defoe
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geringer Dicke anfüllen, wolle man im einzelnen berichten, welche Stufen die Entwicklung durchlief, bis alles wieder in die alte Ordnung und ins gewohnte Fahrwasser zurückkam.
    In manchen Gegenden Englands herrschte jetzt die Seuche mit der gleichen Heftigkeit, wie es in London gewesen war; die Städte Norwich, Peterborough, Lincoln, Colchester und andere Orte wurden jetzt heimgesucht; und die Behörden in London begannen Vorschriften zu erlassen, wie man sich im Verkehr mit diesen Städten zu verhalten habe. Allerdings konnte man nicht einfach den dortigen Leuten verbieten, nach London zu kommen, weil es unmöglich war, sie zu unterscheiden, und so mußten, nach vielen Beratungen, der Lordbürgermeister und die Stadträte die Sache fallen lassen. Alles, was sie tun konnten, war, die Bevölkerung zu warnen und ihr einzuschärfen, mit Leuten, von denen bekannt sei, daß sie aus solchen befallenen Orten kämen, keinen häuslichen Umgang zu pflegen.
    Aber sie hätten ebensogut in die Luft reden können, denn die Londoner glaubten sich nunmehr so immun gegen die Pest, daß sie über alle Ermahnungen erhaben waren; sie schienen sich darauf zu verlassen, daß die Luft wieder rein war und daß die Luft wie ein Mensch war, der, nachdem er die Pocken gehabt hat, nicht mehr angesteckt werden kann.
    Dies brachte die Vorstellung wieder auf, daß die Ansteckung in der Luft liege und daß es so etwas wie eine Übertragung der Krankheit von den Kranken auf die Gesunden nicht gebe; und diese Flausen beherrschten die Leute so, daß gesund und krank, alles miteinander und durcheinander umherlief. Nicht einmal die Moslems, die, besessen von dem Glauben an die Vorherbestimmung, nichts von Krankheitsübertragung, sie bestehe, worin sie will, halten, hätten störrischer sein können als die Leute in London. Gesund, wie sie aus der heilsamen Landluft in die Stadt zurückkamen, machten sie sich nichts daraus, in die gleichen Häuser, die gleichen Stuben, ja die gleichen Betten zu gehen mit solchen, die mit der Krankheit behaftet und noch nicht wieder gesund geworden waren.
    Einige mußten tatsächlich für ihr unbekümmertes Draufloshandeln mit dem Leben bezahlen; eine unzählbare Menge wurde krank, und die Ärzte hatten mehr zu tun als je, mit dem einzigen Unterschied, daß die Patienten jetzt häufiger wieder gesundeten; das heißt, im allgemeinen gesundeten sie wohl, aber es gab mehr Leute, die der Ansteckung anheimfielen, jetzt wo nicht mehr als tausend oder zwölfhundert in der Woche starben, als vorher, wo es fünf- oder sechstausend Tote in der Woche gewesen waren, so unerhört nachlässig waren die Leute damals in der so folgenschweren Frage von Gesund- oder Kranksein, und so wenig waren sie imstande, den Rat von Männern anzunehmen und zu befolgen, die ihnen, nur zu ihrem Besten, Vorsicht geboten.
    Nachdem die Leute nun so ziemlich alle wieder zurückgekehrt waren, berührte es sehr seltsam, wenn Menschen auf der Suche nach ihren Freunden nicht einmal eine Erinnerung an sie mehr vorfanden, so vollständig waren ganze Familien dahingerafft worden, und es war dann auch niemand aufzutreiben, der einen Rechtsanspruch auf das wenige, was sie zurückgelassen hatten, hätte vorweisen können; in vielen Fällen war die Hinterlassenschaft auch veruntreut und entwendet worden und hatte sich hierhin und dorthin verflüchtigt.
    Es hieß, daß solche besitzlosen Güter an den König als den Universalerben fielen, und der König, so hieß es weiter, und ich glaube, es traf zum Teil auch zu, vermachte all solches Gut als »Gottesgabe« dem Lordbürgermeister und dem Stadtrat, damit es zum Nutzen der Armen verwendet werde, von denen es ja sehr viele gab. Es muß nämlich bemerkt werden, daß, obwohl die Anlässe zum Helfen und die dringenden Notstände während der Zeit des Wütens der Pest viel zahlreicher waren als jetzt, wo alles vorüber war, so doch die Armen jetzt viel mehr zu darben hatten als damals, weil die Schleusen der allgemeinen Wohltätigkeit sich jetzt wieder alle geschlossen hatten. Die Leute meinten, es bestehe jetzt kein Grund mehr und hielten mit dem Geben inne; während doch noch immer viel herzzerreißendes Elend da war und die Armen in der Tat großen Mangel litten.
    Obwohl die Gesundheit der Stadt nun weitgehend wiederhergestellt war, fing dennoch der Außenhandel sich noch nicht wieder zu rühren an, und die ausländischen Häfen weigerten sich noch eine ganze Weile, unsere Schiffe einfahren zu lassen. Was die
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