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Die Pelzhändlerin (1. Teil)

Die Pelzhändlerin (1. Teil)

Titel: Die Pelzhändlerin (1. Teil)
Autoren: Ines Thorn
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jünger als dein Vater. Niemand hat sich bisher daran gestört. Sei froh, dass du einen so jungen Mann bekommst. Oder wäre dir ein Greis lieber gewesen?»
    Susanne weinte noch immer. Doch sie wusste, dass sie Sibylla und dem Beschluss des Rates gehorchen musste. Wolfgang Schieren würde nicht rechtzeitig zurückkehren, das war auch Susanne klar.
    «Na, na, na. Du wirst sehen, alles wird gut. Bald schon wirst du den Geselllen vergessen haben und froh sein, die Frau eines Schneidermeisters zu sein.»
    Susanne schüttelte die Hand ihrer Stiefmutter ab und blickte mit leeren Augen auf.
    «Ich verstehe dich gut, mein Kind», versuchte Sibylla sie zu trösten. «Ich werde dir ein paar neue Kleider schicken, das wird dich von deinem Schmerz ablenken.»
    Susanne fuhr bei diesen Worten vom Stuhl hoch: «Ihr wisst nicht, was Liebe ist. Sonst versuchtet Ihr nicht, mich mit ein paar Kleidern abzulenken. Für Euch zählt nur Euer Geschäft. Die Menschen sind Euch herzlich gleichgültig.
    Liebe deinen Nächsten wie dich selbst, steht in der Bibel geschrieben. Doch Ihr, Stiefmutter, liebt niemanden. Nicht einmal Euch selbst. Wie wollt Ihr da verstehen, was Ihr mir antut? Tauschen möchte ich nicht mit Euch. Alles Geld und aller Reichtum, alle Macht und aller Erfolg können mir den Liebsten nicht ersetzen.»
    «Schluss jetzt! Es reicht!»
    Sibyllas Ausruf drang wie ein Böllerschuss durch den Raum. Sie schlug mit der Hand hart auf die Tischplatte, sodass Susanne zusammenzuckte.
    «Du heiratest, und Schluss.»
     
    War Sibylla vorher streng gewesen, so wurde sie jetzt, nachdem der Umzug geglückt und die Gewandschneiderei einverleibt war, hart. Die Falten, die sich von der Nase zum Mund zogen, wurden so tief wie bei einer alten Frau. Ihre Lippen, einst voll und sinnlich, welkten zu blassen schmalen Strichen, die sich nach unten zogen.
    Das Leuchten ihrer Augen war verloschen, unnachgiebig sahen sie nun jeden Fehler, den ihre Angestellten machten.
    Beinahe 100 Leute beschäftigte sie nun, doch die wenigsten hatten jemals ein Lob von ihr gehört. Wie ein Richter eilte sie durch Räume und Werkstätten. Ihr Gekeife schallte durch das Haus, und die Mitarbeiter duckten sich und zogen die Schultern ein, sobald Sibylla im Türrahmen erschien.
    Selbst Heinrich, der immer gut mit ihr ausgekommen war, lernte nun eine andere Sibylla kennen.
    «Lasst Schieren für tot erklären», schlug er vor. «Ihr verbittert, obwohl Ihr die 40 noch nicht erreicht habt. Seid eine Frau in den besten Jahren. Kein Wunder, dass Ihr mürrisch werdet, wenn niemand Euer Bett teilt. Frauen brauchen das, ich weiß, wovon ich rede.»
    «Halt den Mund, Heinrich», fuhr Sibylla ihn an. «Du bist für die Kürschnerei zuständig. Um meine Bettangelegenheiten kümmere ich mich alleine.»
    «Es ist nicht gut für Euch, allein zu leben», ließ der Alte nicht locker. «Auch nicht gut fürs Geschäft. Die Kunden fürchten Euch. Schon gibt es Gerede in der Stadt. Ihr müsst aufpassen, Meisterin.»
    «Was für ein Gerücht? Sag schon!», herrschte Sibylla ihn an. Doch Heinrich stand auf.
    «Nichts für ungut, Meisterin. Ich habe es nur gut gemeint. Fragt Barbara, wenn Ihr wissen wollt, was über Euch geredet wird.»
    Er verließ die Meisterstube, und Sibylla machte sich auf in die Küche, um Barbara zur Rede zu stellen:
    «Los, erzähl mir, was am Brunnen über mich getratscht wird», forderte sie die alte Magd auf.
    «Ach, die Leute sind neidisch», beschwichtigte Barbara. «Ihr wisst doch, wie es ist. Ein jeder will etwas gehört haben und bauscht es auf.»
    «Ich will keine Ausflüchte hören. Berichten sollst du, was die Leute reden.»
    Barbara seufzte. Schließlich wich sie einen Schritt zurück und brachte den Tisch zwischen sich und die Meisterin. Erst dann begann sie zu sprechen:
    «Hartherzig seid Ihr, erzählen sich die Mägde. Gefühllos und so kalt wie der Schnee im Winter. Keine Liebe hättet Ihr für andere, kein Wohlwollen und kein Mitleid für irgendjemanden. Als Ihr aus Italien gekommen seid, wart Ihr schon verändert, doch nun wird es von Jahr zu Jahr schlimmer. Die Menschen fürchten Euch, gehen Euch aus dem Weg. Sie meiden es, in der Kirche in Eurer Nähe zu sitzen, wechseln die Straßenseite, wenn sie Euch auf der Gasse erblicken. Ein hartherziges Weib wäret Ihr, sagt man, dem der Teufel das Herz im Leib versteinert hat.»
    «Und die Kunden?»
    «Nun, auch die Kunden versuchen, Euch zu meiden. Habt Ihr nicht bemerkt, dass die Frankfurterinnen mit ihren
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