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Die Parallelklasse - Ahmed ich und die anderen - Die Luege von der Chancengleichheit

Die Parallelklasse - Ahmed ich und die anderen - Die Luege von der Chancengleichheit

Titel: Die Parallelklasse - Ahmed ich und die anderen - Die Luege von der Chancengleichheit
Autoren: Patrick Bauer
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habe. Ich möchte, dass mein Sohn auch mit Kindern zur Schule geht, deren Eltern weniger Geld, weniger Bildung, weniger Sprachkenntnisse haben. Ich möchte, dass er lernt, dass Unterschiede nichts Schlechtes sind.
    Ich habe immer gesagt, dass es ein großes Glück für mich war, auf eine bunt gemischte Grundschule gegangen zu sein. Ich sage das auch heute noch. Aber ich habe von den Geschichten meiner ehemaligen Mitschüler gelernt, dass nicht jeder etwas von dieser Durchmischung hatte. Die Schüler, die in der ersten Klasse Probleme hatten, mitzukommen, hatten auch nach der sechsten Klasse Probleme, mitzukommen. Deswegen kamen sie in vielen Fällen nirgendwo an. Diese Schüler stammten aus Elternhäusern, die man bildungsfern nennt und sozial schwach. Es waren vor allem die Kinder nichtdeutscher Eltern. Die Schüler, die in der ersten Klasse zu den Schnellsten gehörten, gehörten auch nach der sechsten Klasse zu den Schnellsten. Es waren vor allem die deutschen Kinder. Ihnen standen alle Türen offen.
    Ich selbst habe von unsrerer Grundschulzeit profitiert. Ich habe andere Kulturen, Sitten und Lebenshintergründe kennen gelernt. Ich bin froh, in so einem multikulturellen Umfeld aufgewachsen zu sein. Aber vielleicht ist das selbstgefällig. Ich konnte dieses Umfeld leicht verlassen. Ich gehörte in diesem Umfeld zu den Privilegierten. Ahmed nicht. Andererseits: Immerhin hat Ahmed die nervigen Kartoffeln mit eigenen Augen gesehen. Auch er hat über seinen Tellerrand blicken können in Frau Schachs Klasse.
    Ich habe in den letzten Monaten gelernt, dass es keine Frage der ethnischen Herkunft ist, ob man erfolgreich durch die Schulzeit kommt, sondern eine Frage der sozialen Herkunft. Zu den sozial Schwachen in meinem Heimatbezirk gehören aber nun mal überwiegend nichtdeutsche Familien. In anderen Teilen Berlins, in den großen Ost-Bezirken beispielsweise, haben sich längst ebenfalls unkontrollierbare Wohnghettos und Schulen gebildet, deutsche Problemschulen. Wer kann, flieht von dort. Das Besondere rund um meine Grundschule ist: Wer kann, flieht nicht von dort. Wer kann, der bleibt. Der Bezirk ist zugleich attraktiver und deprimierender geworden. Es ist ein teurer und geteilter Bezirk in Deutschlands Hauptstadt. Kinder aus wohlhabenden, gebildeten Elternhäusern gehen auf die wenigen guten Schulen. Die anderen auf Schulen wie die Blücher-Grundschule, die auch mal eine gute Schule war. Ja, Multi-Kulti ist offenbar gescheitert, da muss man der Bundeskanzlerin sogar Recht geben. Man hat heute im Multikulti-Bezirk Kreuzberg eine ethnische Trennung, die eigentlich eine soziale Trennung ist. In der Nachbarschaft, die mal meine war, die mal die Nachbarschaft aller war, verschanzen sich heute einige wenige in luxuriösen Trutzburgen, während die Menschen, die ohnehin am Rand der Gesellschaft leben, an den Rand der Stadt ziehen müssen. In den letzten zwanzig Jahren hat sich an der Situation von den meisten Kindern und Kindeskindern der Einwanderer nichts verbessert. Im Gegenteil. Klar, es gibt Erfolgsgeschichten, aber es sind Ausnahmen. Und die Tatsache, dass die erfolgreichen Nachfahren von türkischen Einwanderern den Bezirk verlassen wollen, sobald ihre Kinder zur Schule kommen, zeigt, dass es kein Miteinander mehr gibt, sondern ein Nebeneinander und Gegeneinander. Und das ist auch ein Versagen des linken Establishments, aus dem ich entstamme. Man hat jahrelang die Augen verschlossen vor offensichtlichen Integrationsproblemen. Vor schulischen Problemen. Vor Abschottungsproblemen. Vor Sprachproblemen. Und erst als man selbst betroffen war, weil etwa die eigenen Kinder nun in Kontakt mit Kindern aus weniger privilegierten Familien kommen sollten, hat man etwas unternommen: nämlich die Flucht angetreten.
    Ich treffe am Ende dieser Reise in die Vergangenheit einen Mann mit einem Hut auf dem Kopf, den man als einen Altlinken bezeichnen kann. Er hat einst Häuser besetzt und agitiert. Heute engagiert er sich politisch nur noch für eine Sache: dass die grüne Bildungsstadträtin eine evangelische Privatgrundschule in Kreuzberg zulässt. Der Sohn des atheistischen Mannes war nicht auf der einzigen Grundschule angenommen worden, die er für vertrauenswürdig hält. Alle anderen seien marode und würden von zu vielen NdH-Kindern besucht. Der Mann sagt, die Linke müsse endlich mit der falschen politischen Korrektheit aufhören. Es müsse Schluss sein mit dem Mantra des gemeinsamen Lernens. Darunter litten alle Kinder. Auf die
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