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Die Ordensburg: Elfenritter 1 - Roman

Die Ordensburg: Elfenritter 1 - Roman

Titel: Die Ordensburg: Elfenritter 1 - Roman
Autoren: Bernhard Hennen
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SPÄT

    Gishild blickte über die Wiese zurück. Nein, sie hatten sie nicht bemerkt. Sie huschte hinüber zum Torweg. Drustan hatte recht behalten. Dies war die Nacht der Jäger! Immer wieder hatte sie Gruppen von Novizen gesehen. Sie alle waren
Drachen gewesen. Und die meisten trugen die Waffen des Buhurts bei sich. Sie schienen die Erlaubnis bekommen zu haben, nach streunenden Löwen Ausschau zu halten.
    Eine Ewigkeit hatte sie gebraucht, um in der hellen Nacht bis zur Burg zu gelangen. Der Mond stand schon tief am Himmel. Wieder sah sie zurück. Dann trat sie unter den dunklen Torbogen. Jemand packte sie beim Arm. »Du kommst spät, Gishild!«
    Obwohl sie diese Stimme nun schon fast ein Jahr nicht mehr gehört hatte, erkannte die Prinzessin sie sofort. Lilianne!
    »Sie haben ihn schon vor zwei Stunden auf den Hof gebracht. « Sie seufzte. »Ich konnte ihm nicht helfen. Das musste ich schwören, bevor sie mir die Torwache überlassen haben. Aber wahrscheinlich hätte er nicht gewollt, dass du dabei bist.«
    Gishilds Hand krampfte sich um das Silberröhrchen. Was sollte das heißen …
    Lilianne schob sie durch das Tor. Deutlich hob sich der Umriss des Gehenkten gegen den strahlenden Vollmondhimmel ab. Gishild knickten die Beine unter dem Leib weg. Das durfte nicht wahr sein!
    Die Ritterin fing sie auf und schob sie weiter.
    »Nein!«, wimmerte sie leise. »Das ist zu grausam!«
    Der Leichnam schwang langsam in dem eisigen Nachtwind, der durch das Tor wehte. Ein letzter Gruß des Winters.
    Unbarmherzig schob Lilianne sie weiter. »Er hat sich ganz gut gehalten und uns Löwen keine Schande gemacht.«
    Unter dem Galgen war ein merkwürdiger Kasten auf dem Podest errichtet. Etwas ragte daraus hervor. Ein Kopf! Gishild zog sich der Magen zusammen. Sie sträubte sich. Sie wollte nicht näher heran.

    »Verdammt, Mädchen! Was zierst du dich so! Er braucht dich! Und ich darf nicht hinauf.«
    Lilianne bückte sich und drückte ihr einen Holzschemel in die Hand. Dann nahm sie den Umhang von den Schultern.
    »Los jetzt!«
    »Was soll ich für einen Toten denn noch tun?«, schluchzte sie. Wie konnte man einen Jungen wegen eines Streichs hinrichten! Nur ein harmloser Streich … Sie wünschte sich, ein Albenstern würde sich mitten auf dem Hof öffnen und die Heerscharen Albenmarks ausspeien, damit sie den Ritterorden auslöschten.
    »Begreifst du denn nicht? Nicht das Schlimmste ist eingetreten, nein: Er hat die Ehrenstrafe bekommen. Da hängt nur eine Strohpuppe mit seinen Kleidern. Er steckt im Schandkragen darunter. Und dort wird er auch bleiben bis zur Mittagsstunde. Die Drachen durften ihn mit den Waffen des Buhurts durchprügeln. Sie haben ihn übel herangenommen. Und zuletzt haben sie eimerweise schwarzen Schlamm über ihn gekippt.
    Er holt sich da oben noch den Tod. Leg ihm meinen Umhang um und wärme ihn! Ich darf doch nicht hinauf! So hab ich es geschworen. Und hilf ihm auf den Hocker, damit er sich nicht Arme und Beine ausrenkt!«
    Halb blind von ihren Tränen taumelte sie die Treppe zum Hinrichtungsgerüst hinauf. Dann schloss sie Luc in die Arme. Sein nackter Leib war von Schlamm verkrustet. Und entsetzlich kalt war er. Hände, Füße und Kopf waren durch Löcher im hölzernen Schandkragen gesteckt. Sein Rumpf aber hing nach hinten durch, sodass sein Körpergewicht Gelenke und Hals gegen das Holz presste und zum Zerreißen spannte.
    Sie hob ihn vorsichtig an und ließ ihn auf den dreibeinigen Schemel sinken. So würde er weniger leiden. Dann presste
sie sich dicht an ihn, um ihn mit ihrem Leib zu wärmen. Sie schlang Liliannes Umhang um sie beide.
    Luc stöhnte leise.
    Sie drückte ihm einen scheuen Kuss auf sein vor Schmutz starrendes Haar.
    »Das muss furchtbar wehtun. Wie kann ich dir helfen?«
    »Du bist gekommen, da geht es mir schon besser.«
    »Du lebst!«, sagte sie immer wieder. »Du lebst.« Sie rieb seine Arme, bis ihr die Hände brannten. »Es wird alles wieder gut. Das verspreche ich dir. Erinnerst du dich an die Nacht, als du mir dein Geheimnis anvertraut hast? Ich konnte dir meines nicht mehr verraten …«
    Er murmelte etwas. Sie verstand nur zwei Worte: Mein Nordstern.
    »Ich weiß, dass du den Drachen hättest besiegen können«, sprudelte es aus ihr hervor. »Du hast ihn mir überlassen … den Triumph. Du bist mein Ritter, nicht wahr? Du willst mich beschützen. Du willst, dass mein Leben strahlender wird.«
    Sie war vor das Holzgestell getreten und blickte ihn erwartungsvoll an. Er deutete
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