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Die Noete des wahren Polizisten

Die Noete des wahren Polizisten

Titel: Die Noete des wahren Polizisten
Autoren: Roberto Bolaño
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Girona zu den Worten veranlasste: Mach die Hose auf und lass mich dir einen blasen, Süßer. Worauf der Maghrebiner erwiderte, nur über meine Leiche. Was den Dichter aus Girona zu den Worten veranlasste: Kann ich gerettet werden? Kann auch ich gerettet werden? Worauf der Maghrebiner erwiderte, dass er das nicht wisse, dass er das, offen gestanden, nicht wisse.
    Am liebsten, schloss Padilla, hätte ich ihn in ein Hotel mitgenommen, er war ein Maghrebiner, der für die Poesie der Welt aufgeschlossen war, aber bestimmt noch nie einen hinten drin hatte.
    Amalfitanos Antwort füllte die Rückseite einer Frida-Kahlo-Postkarte ( Die beiden Fridas , 1939) und berichtete, dass er seinem Rat gefolgt sei, obwohl er sich nicht mehr sicher war, ob Padilla ihm das wirklich explizit geraten hatte, und mit der Suche nach anderen Romanen von Arcimboldi begonnen habe. Natürlich beschränkte sich seine Suche auf solche Buchhandlungen in D.F., die Neuerscheinungen aus Spanien bezogen, und die Internationale Buchhandlung in Tijuana, die kaum französischsprachige Bücher führte, wo ihm aber versichert worden war, dass man alles besorgen könne. Er hatte auch an die Französische Buchhandlung in D.F. geschrieben, aber die Zeit verging, ohne dass Antwort eintraf. Vielleicht, mutmaßte er, existiert die Französische Buchhandlung nicht mehr, und es würde noch Jahre brauchen, bis die Nachricht nach Santa Teresa durchdrang. Zu der Larry-Rivers-Postkarte sagte er lieber nichts.
    Der nächste Brief von Padilla kam zwei Tage später, zu schnell, als dass er eine Antwort auf den von Amalfitano hätte sein können. Er war im wesentlichen eine Inhaltsangabe des Romans, an dem Padilla schrieb, obwohl was er schrieb, fand Amalfitano, für eine Inhaltsangabe reichlich schwammig blieb. Es schien, als sei ihm während des zweitägigen Aufenthalts in Girona oder an der Karte, die er ihm zuvor geschickt hatte, oder an dem Essen, das die Mutter des jungen Dichters aus Girona gekocht hatte, etwas nicht bekommen. Er wirkte betrunken oder unter Drogen. Sogar die Schrift (der Brief war mit der Hand geschrieben) präsentierte sich krakelig und teilweise unlesbar.
    Er sprach vom Roman im allgemeinen (zitierte ohne erkennbaren Zusammenhang Emilia Pardo Bazán, Clarín und einen spanischen Romantiker, der sich in den baltischen Staaten in einem Fluss ertränkt hatte) und vom Gott der Homosexuellen im besonderen. Er erwähnte einen Bischof oder Erzbischof aus Argentinien, der angeregt hatte, die gesamte, nicht strikt heterosexuelle argentinische Bevölkerung in die Pampa umzusiedeln, wo sie, der Macht und Gelegenheit beraubt, ihre Mitbürger zu verderben, ihre eigene Republik mit eigenen Gesetzen und Gebräuchen errichten dürfte. Der weise Erzbischof hatte seinem Plan sogar einen Namen gegeben. Er lautete Argentinien 2 , hätte aber genauso gut Tuntenhausen lauten können.
    Er sprach von seinen Ambitionen: der Aimé Césaire der Homosexuellen zu sein (in diesem Absatz war die Schrift zittrig, als hätte er mit links geschrieben), sagte, dass er in manchen Nächten das Tamtam seiner Leidenschaft höre, aber nicht genau wisse, ob es wirklich das seiner Leidenschaft oder das seiner Jugend sei, die ihm zwischen den Fingern zerrinne, vielleicht, fügte er hinzu, handele es sich ja nur um das Tamtam der Poesie, das ausnahmslos jedem von uns in einer geheimnisvollen und schwer erkennbaren Stunde zuteilwerde, dafür aber absolut umsonst sei.
    Vom Gott der Homosexuellen behauptete er, er würde zunächst in den Träumen Gestalt annehmen, dann in einigen einsamen Straßen, solchen, in die sich nur jene verirren, die mit offenen Augen träumen. Sein Körper, sein Gesicht: eine Kreuzung aus Hulk und Terminator, ein scheußlicher, abstoßender Koloss. Von dieser Ausgeburt erwarteten sie (die Homosexuellen) eine grenzenlose Freigiebigkeit, nicht bloß eine Republik in der Pampa oder in Patagonien, wie vom argentinischen Erzbischof vorgeschlagen, sondern eine Republik auf einem anderen Planeten, einige tausend Lichtjahre von der Erde entfernt.
    Der Brief ging abrupt zu Ende, als wäre ihm die Tinte ausgegangen, aber er sandte Küsse für Amalfitano und seine Tochter.

18
     
    In seinem nächsten Brief sprach Padilla von Elisa. Er schrieb, dass er eines Nachts nach Hause kam und das Mädchen im Hauseingang fand, wo es auf ihn wartete. Es ging ihr schlecht, sie hatte Quetschungen am Hals, etwas Fieber und keine rechte Lust zu schlafen. Wir sind zusammen ins Bett gegangen,
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