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Die Noete des wahren Polizisten

Die Noete des wahren Polizisten

Titel: Die Noete des wahren Polizisten
Autoren: Roberto Bolaño
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Schlage eines Lezama Lima, des Falschverstehers von Góngora, und mit Lezama Lima sämtliche Schwuchteln und Tunten der kubanischen Revolution, mit Ausnahme von Rogelio Nogueras, einer Tucke mit schwulem Esprit, nicht zu reden von den Dichtern der sandinistischen Revolution: Trinen vom Schlage eines Oberst Urtecho oder Schwuchteln mit ephebenhaften Ambitionen vom Schlage eines Ernesto Cardenal. Schwuchteln auch die mexikanischen Contemporáneos (Nein!, schrie Amalfitano, Gilberto Owen nicht!), und Endloser Tod ist tatsächlich zusammen mit den Gedichten von Octavio Paz die Marseillaise der hypernervösen mexikanischen Dichter. Weitere Namen: Gelmán: Tucke; Benedetti: Schwuchtel; Nicanor Parra: Tunte mit schwulem Einschlag; Westphalen: Schwester; Pellicier: Trine; Enrique Lihn: Schwuchtel; Girondo: Trine. Noch einmal zurück zu Spanien: Góngora und Quevedo: Schwuchteln; San Juan de la Cruz und Fray Luis de León: Schwule. Damit ist alles gesagt. Und jetzt, um deine Neugier zu stillen, einige Unterschiede zwischen Schwuchteln und Schwulen. Erstere verlangen noch im Tiefschlaf nach einer Dreißigzentimeterlatte, die sie aufreißt und befruchtet, aber wenn es ernst wird, zieren sie sich wie Betschwestern, bevor sie mit ihren Kerlen ins Bett steigen. Bei Schwulen dagegen hat man den Eindruck, als hätten sie ständig einen Riesenschwengel intus, der in ihren Eingeweiden rührt, und wenn sie in den Spiegel schauen (etwas, das sie aus tiefster Seele lieben und hassen), entdecken sie in ihren tiefliegenden Augen die Identität des Kerls des Todes. Der Kerl, für Schwule wie für Schwuchteln ist es dieses Wort, das unversehrt die Gefilde des Nichts durchmisst. Im übrigen, und mit etwas gutem Willen, spricht nichts dagegen, dass Schwuchteln und Schwule gute Freunde werden, sich gegenseitig raffiniert plagiieren, kritisieren oder bejubeln, veröffentlichen oder totschweigen in dem furibunden, todwunden Land der Literatur.
    »Dir fehlt noch die Kategorie der sprechenden Affen«, sagte Amalfitano, als Padilla endlich schwieg.
    »Ach, die sprechenden Affen«, sagte Padilla, »die schwulen Makaken von Madagaskar, die nicht sprechen, um nicht arbeiten zu müssen.«

2
     
    Als Padilla fünf Jahre alt war, starb seine Mutter, als er zwölf war, sein älterer Bruder. Mit dreizehn beschloss er, Künstler zu werden. Anfangs dachte er, seine Zukunft liege im Theater oder Film. Dann las er Rimbaud und Leopoldo María Panero und wollte außer Schauspieler auch Dichter werden. Mit sechzehn hatte er buchstäblich alles an Gedichten verschlungen, dessen er habhaft werden konnte, und zwei (eher unschöne) Erfahrungen im Laientheater seines Viertels gehabt, aber das reichte nicht. Er lernte Englisch und Französisch, unternahm eine Reise nach San Sebastián, zur Irrenanstalt von Mondragón, wo er versuchte, Leopoldo María Panero zu besuchen, die Ärzte aber, nachdem sie fünf Minuten mit ihm gesprochen hatten, ließen ihn nicht vor.
    Mit siebzehn war er ein kräftiger, kultivierter, ironischer Bursche mit Anfällen schlechter Laune, die in offene Aggression umschlagen konnte. In zwei Fällen nahm er Zuflucht zu körperlicher Gewalt. Das erste Mal, als er mit einem Freund, ebenfalls Dichter, in der Ciutadella spazieren ging und sie von zwei Skinheads beleidigt wurden. Sie nannten sie wahrscheinlich Schwuchteln oder Ähnliches. Padilla, der gewöhnlich selbst Scherze dieser Art machte, blieb stehen, ging auf den kräftigeren der beiden zu und nahm ihm mit einem Schlag gegen den Hals die Luft; als der Bursche sich bemühte, das Gleichgewicht zu halten und wieder zu Atem zu kommen, gab er ihm mit einem Tritt in die Eier den Rest; sein Kumpel versuchte ihm zu helfen, aber was er in Padillas Augen sah, überstieg sein Maß an Kameradschaft, und er zog es vor, den Ort der Auseinandersetzung in Windeseile zu verlassen. Alles ging blitzschnell. Bevor sie weitergingen, fand Padilla noch Zeit, dem kahlen Schädel seines gefallenen Widersachers ein paar Tritte zu verpassen. Padillas junger Dichterfreund war entsetzt. Als er ihm einige Tage später sein Verhalten vorwarf (vor allem die letzte Attacke, die grundlosen Tritte gegen den am Boden liegenden Gegner), erwiderte Padilla, gegenüber Nazis erlaube er sich jede Caprice. Das Wort Caprice klang auf Padillas jugendlichen Lippen wie eine Süßigkeit. Aber woher weißt du, dass sie Nazis waren!, sagte sein Freund. Sie waren kahlgeschoren, erwiderte Padilla sanft, wo lebst du denn? Außerdem bist du
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