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Die neue Lust am Essen: Vom Laster Nikotin und Fastlife zu Lebensgenuss und Slow Food (German Edition)

Die neue Lust am Essen: Vom Laster Nikotin und Fastlife zu Lebensgenuss und Slow Food (German Edition)

Titel: Die neue Lust am Essen: Vom Laster Nikotin und Fastlife zu Lebensgenuss und Slow Food (German Edition)
Autoren: Hermine Pfrogner
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das partout nicht verstehen wollte, warum meine große Liebe nach so vielen Jahren zügelloser Freiheit nun in Ketten gelegt werden sollte.
    Doch das war noch lange nicht alles. Im Alltag ließen sich die immer häufiger auftauchenden Barrieren ja noch einigermaßen umgehen, es gab aber eine Situation, in der ich die neuen Einschränkungen immer wieder ziemlich unangenehm zu spüren bekam, nämlich beim Reisen.
    Seit den regelmäßigen Trips nach Paris während meiner Studienzeit war Reisen für mich die liebste und schönste Freizeitbeschäftigung, zu der mir mein Beruf mit seinen großzügig bemessenen Ferienperioden glücklicherweise reichlich Gelegenheit bot.
    Allerdings waren Flugreisen für uns Raucher längst kein ungetrübtes Vergnügen mehr und wie sehr mich die geänderten Verhältnisse belasteten, zeigt wohl der Umstand, dass ich noch heute ganz genau weiß, wann ich das letzte Mal in einem Flugzeug rauchen durfte. Es war im Februar 1997 an Bord einer KLM-Maschine auf dem Weg von Amsterdam nach Mexico City. Die Amerikaner hatten schon zwei Jahre zuvor ein generelles Rauchverbot eingeführt, bei der heimischen Airline wurde noch eine Weile weitergeraucht, aber dann war auch hier mit dem ungehemmten Nikotingenuss Schluss.
    Auf meinem ersten rauchfreien Flug in die Neue Welt, den ich aus verständlichen Gründen mit ziemlich gemischten Gefühlen antrat, wimmelte es nur so von hyperaktiven Passagieren, die alle zwanzig Sekunden auf die Uhr schauten, ruhelos durch die Gänge wanderten, die Flugbegleiter bei ihrer Arbeit behinderten, immer irgendwo im Weg standen und verdächtig oft die Toiletten aufsuchten, in denen sie sich verdächtig lange einschlossen.
    Ich hatte mir sicherheitshalber ein Nikotin-Ersatzprodukt besorgt, auf dem ich lustlos herumkaute, bis es den Stoff freisetzte, der mich eigentlich hätte beruhigen sollen. Das fremde Nikotin fuhr mir aber ätzend-scharf in die empfindlichen Nerven von Gaumen und Zunge, die sofort höllisch zu brennen begannen, und was ich jetzt schmeckte, hatte mit meiner großen Liebe so viel zu tun wie eine Jauchegrube mit einem Blumenbeet.
    Also entsorgte ich das Nikotin-Ersatzprodukt vorschriftsgemäß und probierte es mit einem Film, mit spannender Lektüre, Essen und Smalltalk, um die acht Stunden bis New York möglichst heil zu überstehen. Dort angekommen zog ich eine Woche lang bezaubert und sorglos durch Manhattan, denn mein Rückflug nach Wien war ein Nachtflug.

Einmal Raucherfrühstück, bitte!
    Wahrscheinlich kennen Sie die folgende Szene aus Filmen oder aus eigener Erfahrung: Jemand tastet nach durchgemachter Nacht irgendwann am späten Morgen mit fahlem Teint und den Augenlidern auf Halbmast den Nachttisch oder den Boden neben dem Bett nach Zigaretten ab, in der Hoffnung, den irritierten Kreislauf mit einer schnellen Dosis Nikotin wieder auf Kurs zu bringen. Das ist die absolut schlimmste Form des Rauchens, wie die Kenner solcher Rituale unisono verkünden.
    Nun, ganz so weit ging ich nicht, denn bevor ich das morgendliche Ritual – der Genuss von Kaffee mit der ersten Zigarette des Tages – aktivierte, musste schon so etwas wie ein Frühstück her, aber ein Raucherfrühstück, bitte!
    Wahrscheinlich stellen Sie jetzt sofort die Frage, was denn ein Raucherfrühstück ist. Ehrlich gesagt weiß ich das gar nicht so genau, denn ein Raucherfrühstück kann Vieles sein. Eigentlich darf es fast alles sein, nur nicht aufwändig und zeitraubend. Ein gesundes, frisch angesetztes Müsli, für das man lange raspelt, hackt und rührt – und das dann auch noch zwanzig Minuten ziehen muss, scheidet da ebenso aus wie alles, was ähnlich langwierig in der Zubereitung ist.
    Ein echtes Raucherfrühstück hat im Grunde nur ein Kriterium zu erfüllen: Es muss schnell gehen, im Idealfall so schnell, wie Wasser braucht, um sich in duftenden Kaffee zu verwandeln.
    Ich griff also ziemlich wahllos zu allem, was ich in dieser kurzen Zeit bewältigen, das heißt nicht nur zubereiten, sondern auch essen konnte. Ein echtes Genussfrühstück kannte ich nur aus dem Urlaub, wo ein opulentes Büffet meine Sehnsucht nach der ersten Zigarette etwas in den Hintergrund drängte, aber selbst dort hielt ich mich eher zurück. Den Rest des Jahres war schneller Minimalismus angesagt: ein Kipferl vom Vortag, ein Becher Joghurt, eine Orange, irgendeine Topfencreme aus der Retorte, ein Glas Milch, ein Stück Kuchen oder eine hastig mit etwas Butter bestrichene Scheibe Knäckebrot – nichts
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