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Die Nachzüglerin (German Edition)

Die Nachzüglerin (German Edition)

Titel: Die Nachzüglerin (German Edition)
Autoren: Regine Sondermann
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du?"
"Es tut mir leid."
"Spinnst du? Was tut dir leid? Es war schön."
"Das ist ja das Schlimme."
Ich nahm eine Papierschere vom Schreibtisch und hielt
sie ihm vors Gesicht.“
"Wenn du nicht sofort sagst, was los ist, schneide ich
dir die Brustwarzen ab."
Er nahm mir die Schere aus der Hand und legte sie an
ihren Platz.
"Insa hat Recht gehabt."
"Du hast eine Frau kennengelernt?"
Alexej wischte sich die Tränen aus den Augen und
nickte.
"Du liebst sie?"
"Das kann ich nicht sagen."
"Du musst doch wissen, ob du diese Frau liebst."
"Sie heißt Anna. Wir sind uns sehr nahe gewesen."
"Seid ihr zusammen?"
"Natürlich nicht."
"Aber du sehnst dich nach ihr."
Er nickte und presste die Augen in das Taschentuch,
das ich ihm gereicht hatte. Während er sich ausweinte,
setzte ich mich auf seinen Schoß und nahm ihn in den
Arm. Ich wollte nichts davon wissen. Alexej musste
mich lieben und niemanden sonst. Ich würde ihm das
schon noch begreiflich machen, aber nicht jetzt.
Deshalb log ich ihn an:
"Na und? Ich war auch kein Kind von Traurigkeit."
KAPITEL 5
    Insa arrangierte eine Spontanfete. Ein hochrangiger
Politiker war gestorben. Das musste gefeiert werden.
Es war mir zuwider, mich zu freuen, weil jemand tot
war, aber ich ging mit. Die Polizei filmte das
Transparent, auf dem stand: "Leute lasst die Korken
knallen, denn die Sau ist umgefallen." Weil es über der
Eingangstür hing, wurden auch wir aufgenommen.
Alexej hob die Hand vors Gesicht. Ich vermummte
mich nie. Ich wollte mein Gesicht zeigen.
"Wovor hast du Angst?", fragte ich ihn. "Willst du dich
etwa von diesem Staat verbeamten lassen?"
"Die Schweine haben kein Recht, mich zu filmen. Sie
haben mich nicht gefragt."
Ich ärgerte mich, als ich sah, dass Insa dieselbe
Lederhose wie ich trug. Sie hängte sich sofort freudig
an Alexej und fing an, wild mit ihm herumzutollen.
    Als er sich befreit hatte, fiel sie auch mir um den Hals.
"Der Sack ist tot", jubelte sie.
"Wohnst du hier allein?“
Ich hatte Angst, sie würde mir mein Lächeln nicht
abnehmen.
"Ich hoffe immer noch, dass Alexej bei mir einzieht.
Aber er will bei seinen Mackern bleiben."
Ich nahm mir eine Flasche Bier, setzte mich auf einen
leeren umgedrehten Bierkasten und besah mir die
Intifada-Plakate, die die Küche schmückten. Ich hatte
keine Lust, mich darüber zu unterhalten, dass für die
Überführung des Sarges extra die Autobahn gesperrt
werden musste. Es interessierte mich auch nicht, was
die letzten Worte des Politikers waren, dem hier
gewissermaßen die letzte Ehre erwiesen wurde.
Obwohl ich inzwischen viele Freunde von Alexej
kannte, fühlte ich mich zu seinem Kreis nicht
dazugehörig.
Endlich fand ich die Toilette. Das Zimmer war
schwarz gestrichen und dürftig von einer winzigen,
ebenfalls schwarz bemalten Glühbirne erhellt. Weil ich
keine Lust hatte, eine Kultstätte zu besichtigen,
beschloss ich, im Hinterhof pinkeln zu gehen, und wie
als kleines Mädchen meinem Rinnsal auf dem Asphalt
hinterher zu starren. Als ich wieder nach oben kam,
lächelte mich Holger an.
"Sind die Bullen noch vor der Haustür?"
"Keine Ahnung. Ich war bloß schiffen."
Er lachte: "Sie warten darauf, dass wir die Staatstrauer
stören."
Ich suchte Alexej und fand ihn immer noch im
Gespräch mit Insa.
"Das Fest gefällt mir nicht", sagte ich.
Die beiden sahen mich an wie Eltern ihr Kind
ansehen, wenn es ein unanständiges Wort gesagt hat.
"Es ist nämlich gar kein Fest", sagte ich und ging zur
Wohnungstür. Alexej wollte mitkommen, aber ich
schob ihn zurück.
"Du kannst ruhig hier bleiben. Es ist in Ordnung."
Die Nachtluft war kalt. Ich stieg auf mein Fahrrad,
und als ich losfuhr, wurde in einem der umstehenden
Polizeiautos der Motor angelassen. Es fuhr mir nach.
Als ich schneller wurde, wurde es ebenfalls schneller.
Ich beschloss, es zu ignorieren. Sie sollten ruhig
wissen, wo ich wohnte.
    Eine halbe Stunde nachdem ich die Tür hinter mir
zugemacht hatte, klingelte Alexej.
"Was willst du?" Ich war schon ausgezogen.
"Sind sie dir auch hinterhergefahren?"
"Weiß nicht", log ich.
Ich hatte keine Lust, über den politischen Kampf zu
sprechen und ging einfach wieder in mein Bett. Alexej
zog sich aus und legte sich neben mich. Wir lagen eng
aneinandergeschmiegt. Als ich fast eingeschlafen war,
fing Alexej an, im Schlaf Russisch zu sprechen.
Obwohl ich noch nicht sonderlich viel von der
Sprache gelernt hatte, hörte ich ihn ganz deutlich ihren
Namen sagen: "Anna." Daher rüttelte ich ihn an der
Schulter. Als er nicht aufwachte, sprach
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