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Die Mondspielerin: Roman (German Edition)

Die Mondspielerin: Roman (German Edition)

Titel: Die Mondspielerin: Roman (German Edition)
Autoren: Nina George
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entzog Clara vorsichtig ihre Hand und ging, jeder Schritt ein Knirschen wie auf gefrorenem Schnee.
    Sie fand eine winzige Tür, die aus dem Klostergarten hinausführte, und drückte sich hindurch.

7
    M arianne roch den herzhaften Duft frisch gebackener Pizza, während sie eine Gruppe Touristen beobachtete, die in dem religiösen Andenkenladen neben der Pizzeria stöberten.
    Als die Gruppe an ihr vorbeigegangen war, wandte sich die Reiseleiterin zu Marianne um: »Allez, allez! Beeilung! Don’t stay too far behind, Ma’am! Salida!«
    Marianne sah sich um. Aber nein, die Frau hatte tatsächlich sie gemeint. »Wenn wir Pont-Aven noch bei Tageslicht sehen wollen, müssen wir uns beeilen!«
    Pont-Aven! Marianne räusperte sich: »Natürlich! Ich komme schon« und stieg mit gesenktem Kopf ein. Ihr Herz klopfte ihr bis zum Hals. Gleich würde jemand mit dem Finger auf sie zeigen.
    Als der Bus langsam auf die Bundesstraße rollte, setzte Marianne sich rasch hinter ein Paar mit raschelnden, roten Regenjacken. Auf dem Sitz neben sich fand sie einen Programmzettel und hielt ihn dicht vor ihr Gesicht. Dolmen et Degustation. »Gräber und Genießen« war es auf Deutsch übersetzt, Stones and Scones auf Englisch. In Pont-Aven stand die Besichtigung der Keksfabrik Penven auf dem Programm. Vorher sollten noch die Steinreihen von Carnac abgefahren, die Austern in Belon probiert werden.
    Marianne klappte ihre Landkarte auf. Carnac lag zumindest am Meer, also nicht die ganz falsche Richtung.
    Sie versuchte, sich unsichtbar zu machen. Sie fühlte sich wie eine Schwarzfahrerin, und genau das war sie ja auch.
    Nach einer halben Stunde Fahrt parkte der rostrote Reisebus schließlich schwungvoll vor einem eingezäunten Feld mit Steinen.
    »Die Alignements du Ménec bei Carnac«, las die Frau vor ihr im Sitz aus einem Reiseführer vor, »achttausend Jahre alt oder noch viel älter, auf jeden Fall standen diese Steine hier schon, bevor die Kelten aus dem Dunklen Land kamen. Die Legende erzählt, es sei ein feindliches Heer gewesen, und die Feen Armorikas hätten die Krieger in Steine verwandelt.«
    Marianne sah wie hypnotisiert zu den seltsamen Granitnasen. So sahen auch manche Menschen unter ihrer Haut aus, dachte sie, bretonischer Granit, zum Manne geworden.

    Der Bus fuhr von den Steinheeren aus weiter in Richtung Lorient, dann auf eine Schnellstraße und bei Quimperlé wieder herunter in Richtung Riec-sur-Belon. Marianne schlug die Landkarte erneut auf. Der Belon war durch eine Landzunge vom Aven getrennt. Kerdruc lag am sich dort langsam verbreiternden Aven, der bei Port Manec’h in den Atlantik floss, zusammen mit dem Belon.
    Sie zog die Fliese aus ihrer Handtasche.
    Bitte, dachte sie. Bitte lass es wenigstens halb so schön sein.
    Der Bus folgte nun einer gewundenen Straße, über der die sattgrün belaubten, efeuumrankten Bäume ein Dach bildeten. Immer tiefer wand er sich in Felder und Alleen hinein, hier und da war ein Granitsteinhaus mit bunten Fensterläden und roséfarbenen und blauen Hortensienbüschen zu sehen. Schließlich hielt er in einer abfallenden, waldgesäumten Gasse, an deren Ende Marianne die Fassade eines Herrenhauses, Wasser und Boote entdeckte.
    »Voilà, le Château de Belon! Seit 1864 die berühmteste huître -Adresse der Welt!«, erklärte die Reiseführerin.
    Marianne ließ sich an das Ende der Reisegruppe zurückfallen. Rechts von ihr lange Holztische auf einer Naturterrasse unter Bäumen mit einem verschwenderisch schönen Blick auf eine waldumsäumte Flussschleife. Und ganz am Ende der letzten Schleife erblickte sie es: das Meer!
    Es glitzerte. Tanzende Sternchen auf den Wellen. Wie schön es war.
    Zwei junge blonde Männer in Gummischürzen erwarteten ihre Gäste. Neben ihnen stand noch ein Mann; er erinnerte Marianne an den jungen Alain Delon, nur dass dieser hier Ohrringe, Lederarmbänder und Motorradstiefel trug.
    Er stach etwas wie die Nadel eines übergroßen Büchsenöffners in eine flache Auster hinein, drehte sein Handgelenk, und sie teilte sich in zwei Hälften. Der Mann setzte sie an die Lippen und wandte sich mit einem »Bon« an den Austernzüchter. Der begann, aus einer grauen Kiste weitere Austern zu sammeln, jeweils mit der einen kurz auf die andere zu klopfen, als ob er lausche. Dann warf er sie in einen geflochtenen Korb aus Spanholz, in dem feuchtglänzende Algenblätter ruhten, saftig wie junger Spinat.
    Die Reiseleiterin hielt einen Vortrag über Austern, dem Marianne nur mit halbem
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