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Die metallenen Herscher

Die metallenen Herscher

Titel: Die metallenen Herscher
Autoren: Hans Kneifel
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denken. Denken! Mit einem Hirn, dessen Funktion ihr freiwillig an magnetische Kerne abgetreten habt, an Rechenwerke, die eure Vorfahren gebaut haben.«
    De Alma griff ein und brüllte:
    »Hören Sie auf, Thorson van Gossen!«
    Der Historiker drehte sich um, beruhigte sich und fragte freundlich:
    »Aus welchem Grund?«
    »Das ist Häresie und Aufwiegelei!«
    »Nichts anderes, Alma. Aufwiegelei und Häresie. Aber nicht gegen die Würde des Menschen, sondern gegen die Gottähnlichkeit von Maschinen. Lieben Sie einen Roboter, de Alma? Beten Sie ein Triebwerk an? Nein? Warum nehmen Sie dann jede Überlegung, die ein Rechenwerk für sie angestellt hat, als Dogma an? Die Maschinen können nichts dafür – sie tun, was sie müssen. Sie rechnen. Sie multiplizieren, addieren und subtrahieren. Sie hingegen, meine Damen und Herren, Sie glauben! Und dieser Glaube ist sinnlos.«
    Van Gossen schwieg erschöpft.
    Er konnte sich denken, daß er mit seinen Erörterungen gegen eine Wand gelaufen war und dort eine Bresche geschlagen hatte. Noch war die Bresche nicht groß genug, noch mußte mit mehr Nachdruck und mehr Überzeugungskraft gearbeitet werden. Die Revolution brauchte ein Signal, um auszubrechen. Es sollte eine unblutiger Umsturz werden; eine totale Umwertung der Werte, ein radikales Umdenken von achtundzwanzig Milliarden Einzelwesen. Man mußte ein Feuer entzünden, das nicht zerstörte, sondern wärmte. Ein Licht, das nicht blendete, sondern erhellte. Und van Gossen wußte über die Trägheit der menschlichen Gedanken genau Bescheid.
    »Halten Sie Ihr Plädoyer«, sagte er und deutete auf de Alma. »Versuchen Sie, meinen Freunden einen einzigen Fehler nachzuweisen! Aber denken Sie daran, daß ab heute keine Maschine mehr glaubwürdig sein wird.«
    De Alma schwieg, während die Programmierer pausenlos arbeiteten. Unhörbar und unsichtbar korrespondierten die Rechenmaschinen miteinander und suchten nach einem Urteil. Sie wurden von den Thesen des Historikers in ihrer Entscheidung nicht beeinträchtigt – der neuralgische Punkt lag zwischen ausgedruckter Lösung eines digitalen Problems und der Interpretation durch den Menschen.
    »Ich warte, de Alma. Wir alle warten«, sagte van Gossen ruhig, aber laut.
    »Ich kann es nicht«, sagte de Alma. »Die Komputer haben noch keine Lösung vorlegen können.«
    Er setzte sich wieder.
    Würde man die Menschen nicht sehen, käme niemand auf die Idee, in dem Saal jemanden zu vermuten. Es war still wie im All. Niemand sprach, niemand hustete, niemand räusperte sich. Jeder schien auf ein Wunder zu warten.
    »Dann werde ich meine Forderungen stellen.«
    Van Gossen war von eisiger Entschlossenheit.
    »Ich verlange: Die Ergebnisse meiner Untersuchungen am Generationenschiff des Kapitäns Sundyborg werden Stück für Stück im Sinnzusammenhang publiziert, und zwar zusammen mit einem der besten Werbeleute, die ich kenne. Sneeper Wilkinson wird mir helfen. An Papier ist glücklicherweise auf den neun Planeten kein Mangel, also werden wir publizieren, was es zu sagen gibt. Und es gibt sehr viel zu sagen.
    Shemnouk, unser ballähnlicher Freund, wird uns berichten, was er wollte und woher er kam. Ich bin sicher, er tut es auf seine Weise. Der Tachyonenmotor ist gedankliches Eigentum von Ivor Menadier – jenem Herrn mit der avantgardistischen Locke auf dem kahlen Schädel – und Rodrigo Sarrazin, einem Elektroniker und Wissenschaftler, von dessen Format unser System einige mehr brauchen könnte. Wenn die kommunalen Verwaltungen Schiffe mit Tachyonenantrieb bauen wollen, so zahlen sie Lizenzgebühren.
    Der Gegenwert für den Konvoi mit Kaliumbromidkristallen wird voll erstattet. Schließlich haben meine Freunde für die Bergung ihr Leben riskiert. Für jedes Sternfoto sind Gebühren zu entrichten. Die Floskel Der Weg ins Licht wird abgeschafft. Das Gesetz gegen Trustbildung wird im Fall der Bergungsgesellschaft nicht angewendet. Und ...«
    Auf dem Podium der Vorsitzenden entstand Bewegung.
    Einer der Programmierer sprang auf und überreichte de Alma eine ausgedruckte Mitteilung des Komputers – eines Komputers, der hier integriert worden war. Die Freunde sahen, daß de Alma noch bleicher wurde und zum Mikrophon griff.
    »Ich habe eine wichtige Mitteilung zu machen«, sagte er. »Soeben ist auf Binary Digit Port ein Schiff gelandet. Dem Typ nach ist es nicht von unserem System. Es sind zwei Fremde ausgestiegen und bewegen sich mit einem unidentifizierbaren Fahrzeug durch die Straßen. Sie
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