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Die Merle-Trilogie 01 - Die Fließende Königin

Die Merle-Trilogie 01 - Die Fließende Königin

Titel: Die Merle-Trilogie 01 - Die Fließende Königin
Autoren: Kai Meyer
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können. Und trotzdem… er hätte sie zumindest warnen können!
    Wieder schossen sie tief über der Wasseroberfläche dahin, diesmal nach Süden, wo die Inseln der Lagune nicht so zahlreich und klein waren wie weiter oben im Norden. Damit verzichteten sie freiwillig auf eine ganze Reihe guter Verstecke, und Merle hoffte inständig, dass Vermithrax’ Entscheidung die richtige war. Er hat einen Plan, redete sie sich ein.
    »Das glaube ich nicht«, meinte die Königin spröde.
    »Nicht?« Merle verzichtete darauf, die Frage laut zu stellen.
    »Nein. Er kennt sich nicht aus.«
    »Wie beruhigend.«
    »Du musst ihm sagen, was er tun soll.«
    »Ich?«
    »Wer sonst?«
    »Damit du mir die Schuld geben kannst, wenn wir im Nirgendwo landen!«
    »Merle, diese Sache hängt an dir, nicht an Vermithrax. Nicht einmal an mir. Das hier ist dein Weg.«
    »Ohne dass ich weiß, was wir vorhaben?«
    »Du weißt es bereits. Erstens: Venedig verlassen. Und dann: Verbündete gegen das Imperium finden.«
    »Und wo?« »Das, was auf der Piazza passiert ist, war immerhin so etwas wie ein erster Funken. Vielleicht können wir das Feuer zum Lodern bringen.«
    Merle zog eine Grimasse. »Könntest du dich bitte ein wenig klarer ausdrücken?«
    »Die Höllenfürsten, Merle. Sie haben angeboten, uns zu helfen.«
    Merle hatte das Gefühl, erneut den Boden unter sich aus den Augen zu verlieren, obwohl Vermithrax schnurgerade in Richtung Horizont flog.
    »Du willst wirklich die Hölle um Hilfe bitten?«, fragte sie entgeistert.
    »Es gibt keinen anderen Weg.«
    »Was ist mit dem Zarenreich? Man erzählt sich, dort hielten sie ebenfalls den Truppen des Pharaos stand.«
    »Das Zarenreich steht unter dem Schutz der Baba jaga. Ich denke nicht, dass es eine gute Idee ist, eine Göttin um Hilfe zu bitten.«
    »Die Baba Jaga ist eine Hexe, keine Göttin.«
    »In ihrem Fall ist das leider ein und dasselbe.«
    Ehe sie das Thema vertiefen konnten, stieß Vermithrax einen alarmierenden Ruf aus: »Vorsicht! Jetzt wird’s unangenehm!«
    Merles Blick raste über ihre Schulter nach hinten. Zwischen den schwarzen Federschwingen sah sie das aufgerissene Maul eines Löwen, darunter seine ausgestreckten Krallen. Er schoss von hinten auf sie zu.
    Das Ziel seines Angriffs war nicht Vermithrax, sondern sie selbst!
    »Sie wollen es nicht anders«, knurrte der Obsidianlöwe traurig. Im Flug wirbelte er herum, sodass Merle sich abermals mit aller Kraft festhalten musste, um nicht von seinem Rücken geworfen zu werden. Sie sah, wie der angreifende Löwe die Augen aufriss, ein animalisches Spiegelbild seines Reiters - dann tauchte Vermithrax unter den Pranken seines Gegners hinweg, drehte sich halb zur Seite und schlitzte ihm mit einem gezielten Krallenschlag den Bauch auf. Als Merle sich erneut umsah, waren Löwe und Reiter verschwunden. Das Wasser der Lagune färbte sich rot.
    »Sie bluten!«
    »Nur weil sie aus Stein sind, bedeutet das nicht, dass ihr Inneres sich von dem anderer Lebewesen unterscheidet«, sagte die Königin. »Der Tod ist schmutzig und stinkt.«
    Rasch wandte Merle den Blick von dem roten Schaum auf den Wellen ab und schaute nach vorn, den Umrissen vereinzelter Inseln entgegen. Dahinter lag, als dunkler Streifen am Horizont, das Festland.
    Bald waren zwei weitere Löwen heran. Vermithrax tötete den einen ebenso rasch und gnadenlos wie seinen ersten Gegner. Der andere aber lernte aus der Sorglosigkeit seiner Gefährten, wich dem Hieb der Obsidiankrallen aus und versuchte, Vermithrax’ Unterseite zu erreichen. Vermithrax schrie auf, als eine Kralle ihn streifte. Im letzten Moment entging er dem tödlichen Schlag. Mit zornigem Brüllen flog er einen Bogen, raste geradewegs auf seinen erstaunten Feind zu, näher, näher, näher; wich nicht aus; gab nicht nach; zog erst in allerletzter Sekunde nach oben und erwischte das Gesicht des anderen Löwen mit seinen hinteren Pranken. Stein splitterte, dann waren Löwe und Reiter verschwunden.
    Merle spürte Tränen auf ihren Wangen. Sie wollte all dieses Töten nicht, und doch konnte sie es nicht verhindern. Vermithrax hatte die Gardelöwen aufgefordert, sie ziehen zu lassen. Jetzt blieb ihm nur, ihrer aller Leben zu verteidigen. Er tat es mit der Kraft und Konsequenz seines Volkes.
    »Noch drei«, sagte die Fließende Königin.
    »Müssen denn alle sterben?«
    »Nicht, wenn sie aufgeben.«
    »Das werden sie nicht. Du weißt das.«
    Auf einem der drei überlebenden Löwen ritt der Hauptmann der Garde. Sein weißes
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