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Die Mayfair-Hexen

Die Mayfair-Hexen

Titel: Die Mayfair-Hexen
Autoren: Anne Rice
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Ash, der Mann sagt, Sie würden mit ihm sprechen wollen; ich soll Ihnen nur sagen…«
    »Das sagen sie alle, Remmick«, unterbrach er ihn.
    »Samuel, Sir. Er sagte, ich solle Ihnen diesen Namen nennen.«
    »Samuel!«
    Er wandte sich vom Fenster ab und schaute den Kammerdiener an, schaute ihm in sein friedliches Gesicht. Seine Miene verriet nichts als Hingabe und stille Fügung.
    »Er sagte, ich solle sofort zu Ihnen gehen, Mr. Ash; es sei so üblich, wenn er anrufe. Ich habe die Gelegenheit wahrgenommen…«
    »Sie haben es richtig gemacht. Sie können mich jetzt eine Weile allein lassen.«
    Er setzte sich in seinen Sessel am Schreibtisch.
    Als die Tür sich schloß, griff er zum Hörer und drückte auf den kleinen roten Knopf.
    »Samuel«, flüsterte er.
    »Ashlar.« Die Antwort kam so klar, als stünde sein Freund neben ihm. »Du hast mich fünfzehn Minuten warten lassen. Wie wichtig du geworden bist.«
    »Samuel, wo bist du? Bist du in New York?«
    »Ganz gewiß nicht«, war die Antwort. »Ich bin in Donnelaith, Ash. Ich bin im Gasthaus.«
    »Telefone im Glen.« Er murmelte leise. Die Stimme kam aus dem fernen Schottland… aus dem Glen.
    »Ja, alter Freund, Telefone im Glen und noch andere Dinge. Ein Taltos war hier, Ash. Ich habe ihn gesehen. Ein richtiger Taltos.«
    »Stop. Hast du gerade gesagt -«
    »Ich habe es gesagt. Gerate nicht gleich in allzu große Aufregung, Ash. Er ist tot. Er war ein Kind, ungeschickt. Es ist eine lange Geschichte. Ein Zigeuner ist darin verwickelt, ein sehr raffinierter Zigeuner nahmens Yuri von der Talamasca. Der Zigeuner wäre jetzt tot, wenn ich nicht gewesen wäre.«
    »Bist du sicher, daß der Taltos nicht mehr lebt?«
    »Der Zigeuner hat es mir gesagt. Ash, die Talamasca erlebt eine dunkle Zeit. Mit dem Orden ist etwas Tragisches geschehen. Vielleicht werden sie diesen Zigeuner bald umbringen, aber er ist entschlossen, ins Mutterhaus zurückzukehren. Du mußt herkommen, sobald du kannst.«
    »Samuel, wir treffen uns morgen in Edinburgh.«
    »Nein – London. Flieg direkt nach London. Ich habe es dem Zigeuner versprochen. Aber komm schnell, Ash. Wenn ihn seine Brüder in London zu Gesicht bekommen, ist er ein toter Mann.«
    »Samuel, diese Geschichte kann nicht stimmen. Die Talama s ca würde niemandem so etwas antun, schon gar nicht einem der ihren. Bist du sicher, daß dieser Zigeuner die Wahrheit sagt?«
    »Ash, es hat mit diesem Taltos zu tun. Kannst du dich gleich auf den Weg machen?«
    »Ja.«
    »Du läßt mich nicht im Stich?«
    »Nein.«
    »Dann muß ich dir noch etwas erzählen, und zwar sofort. Du wirst es in London in der Zeitung lesen, wenn du gelandet bist. Sie haben gegraben hier in Donnelaith, in den Ruinen der Kathedrale.«
    »Ich weiß, Samuel. Darüber haben wir schon gesprochen.«
    »Ash, sie haben das Grab des Heiligen Ashlar freigelegt. Sie haben im Stein eingraviert den Namen gefunden. Du wirst es in der Zeitung lesen, Ashlar. Es sind Gelehrte aus Edinburgh hier. Ash, es sind Hexen in die Geschichte verwickelt. Aber der Zigeuner wird es dir erzählen. Die Leute beobachten mich. Ich muß gehen.«
    »Samuel, die Leute beobachten dich immer. Warte noch -«
    »Dein Haar, Ash. Ich habe dich in einer Illustrierten gesehen. Hast du weiße Strähnen in den Haaren?«
    »Ja, mein Haar wird weiß. Aber nur langsam. Ansonsten bin ich nicht gealtert.«
    »Du wirst leben bis zum Ende der Welt, Ash, und du wirst de r jenige sein, der sie einstürzen läßt.«
    »Nein!«
    »Das Claridge’s in London. Wir brechen jetzt auch auf. Da werde ich auf dich warten. Und – Ash. Bezahle die Hotelrechnung, ja? Ich war zwei Jahre hier draußen im Glen.«
    Die Leitung war tot.
    »Verrückt«, flüsterte er und legte den Hörer auf.
    Eine ganze Weile starrte er die Bronzetür an. Er sah die ve r schwommene Gestalt kaum, die hereinkam. Er dachte auch nicht; er wiederholte im Kopf nur immer wieder die Worte »Ta l tos« und »Talamasca«.
    Als er dann doch aufblickte, sah er nur Remmick, der aus e i ner kleinen, schweren Silberkanne Schokolade in eine hübsche Porzellantasse goß. Der Dampf stieg in Remmicks geduldiges und etwas müdes Gesicht. Graue Haare – ja, das waren wirklich graue Haare, ein ganzer Schöpf voll. So viele graue Haare habe ich nicht.
    Er hatte wirklich nur die beiden Strähnen, die von seinen Schläfen nach hinten flössen, und ein bißchen Weiß in den Koteletten, wie man sie nannte. Ja, auch einen Hauch von Weiß in den dunklen Haaren auf seiner Brust.
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