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Die Macht des Schmetterlings

Die Macht des Schmetterlings

Titel: Die Macht des Schmetterlings
Autoren: Matt Dickinson
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Scheinwerfer war zerschmettert, die Karosserie stark eingedellt, aber zu ihrer Erleichterung sah das Auto aus, als könne man noch damit fahren. Drüben am anderen Rand bewegte sich der Hirsch noch immer. Seine Beine scharrten über den Boden, als er sich auf die Knie rappelte. Entsetzt sah Tina ihm zu und wünschte sich, das Tier möge sterben. Aber es starb nicht. Zögernd machte sie ein paar Schritte auf es zu und fragte sich, was sie tun sollte.
    »Du machst das gut«, sagte sie dem Geschöpf und bemühte sich, ihre Stimme beruhigend klingen zu lassen, scheiterte aber an ihren flatternden Nerven. »Alles wird gut.«

23
    London, Vereinigtes Königreich
    Sechzig Meilen östlich von Tinas Standort entfernt, im Londoner Bezirk Southwark, war ein sechsjähriges Mädchen namens Sophie gerade in diesem Augenblick damit beschäftigt, sich durch einen Berg von Geburtstagsgeschenken zu wühlen, während ihre Eltern ihr voller Stolz zuschauten.
    Ein paar kleinere Geschenke waren bereits begutachtet worden, doch nun war das große an der Reihe.
    »Herzlichen Glückwunsch zum Geburtstag, Schatz.« Lächelnd sah ihr Vater Dean zu, wie Sophie sich mit glänzenden Augen auf ihr Hauptgeschenk stürzte. Sekunden später lag das Geschenkpapier in Fetzen auf dem Boden, und sie hielt das Karaoke-Mikrofon von Hannah Montana in den Händen. Voll Vergnügen sang sie mit, als die Eröffnungstakte von Pumpin’ Up The Party durch die Stille des Morgens tönten.
    Zufrieden mit dem Erfolg der Geschenke setzte sich Dean an den Küchentisch, wartete auf seine gebratene Morgenmahlzeit und las dabei die Rennbeilage der Sun .
    »Bleibt es dabei, dass wir nach Six Lakes fahren?« Seine Frau Shelley sah vom Herd herüber.
    Dean seufzte. Sosehr er sich wünschte, seiner Tochter einen Tag in Londons neuestem Vergnügungspark zu bereiten, den sie so schnell nicht vergessen würde   – ein Tag ohne Arbeit war ein Tag ohne Geld, wenn man als selbstständiger Klempner tätig war. »Ich habe eine Menge zu tun, Shell.«
    »Aber sie hat doch Geburtstag.«
    Shelly stellte einen Teller mit Schinken, Eiern und Würstchen vor ihren Mann hin. »Bitte, bitte!«
    »Komm schon, Dad! Ich will mit dem Tormentor fahren!«
    »Womit?«
    »Mit der neuen Achterbahn. Guckst du etwa keine Werbung?«
    »Ach so.« Dean machte sich über sein Frühstück her und lehnte sein Exemplar der Sun an die Ketchupflasche, um zu prüfen, was für Pferde an diesem Tag laufen würden. Wie viele Gewohnheitsspieler ging Dean normalerweise allein nach seinem Instinkt. Der Name eines Pferdes oder eines Reiters spielten für ihn eine größere Rolle als deren frühere Leistungen. In den Listen für Chepstow und Doncaster fand er nichts von Interesse, also richtete er seinen Blick auf die Rennen in Newbury.

24
    Sauncy Wood, Wiltshire, Vereinigtes Königreich
    Tinas Blicke jagten die Straße hinauf und hinunter, in der Hoffnung, ein weiteres Fahrzeug möge auftauchen, doch bis auf die röchelnden Atemzüge des verwundeten Hirsches war der Wald still. Plötzlich stieß das Geschöpf einen rasselnden Schrei aus, ein hohes Krächzen, das erschreckend nach dem Kreischen eines Kindes klang.
    Tina trat näher heran, so nahe, dass sie das verletzte Tier beinahe berühren konnte. Jetzt sah der Hirsch ihr in die Augen und zuckte vor Angst zur Seite, als sie sich über ihn beugte. Tina wurde klar, dass er ihr die Schuld an seinen Schmerzen zusprechen musste, dass er sie für verantwortlich hielt. Sie fühlte, wie ihr die Tränen kamen. Was sollte sie tun? Einen verrückten Augenblick lang überlegte sie, ob sie das arme Ding wohl so weit schleifen konnte, bis sein Kopf unter ihren Rädern lag   – dann würde sie darüberfahren und der Quälerei ein Ende machen.
    Aber sie wollte ihn nicht berühren.
    Sie ging zum Kofferraum und nahm den Wagenheber aus dem Kasten mit dem Notfallwerkzeug. In der Hand prüfte siesein Gewicht und kam sich ein bisschen vor wie eine Idiotin, als sie sich fragte, ob ein Schlag mit dem Gerät den Hirsch wohl von seinen Qualen erlösen würde. Der Hirsch stieß denselben schrillen Schrei noch einmal aus, dann richtete er sich halb auf. Tina näherte sich, woraufhin sich der Hirsch noch panischer auf die Füße kämpfte.
    Dann stand er, und gleich darauf flogen seine Läufe, als er kopflos in den Wald hineinstürmte. »Oh Gott.« Tina zögerte. Nichts wollte sie lieber, als wieder in ihr Auto steigen und dieses grauenhafte Erlebnis hinter sich lassen. Aber wie lange würde
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