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Die Macht der Medusa

Die Macht der Medusa

Titel: Die Macht der Medusa
Autoren: Jason Dark
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Lokal lag ein gutes Stück von der Straße weg. Ein Weg war nicht gebaut worden, den hatten sich Fußgänger und Autos geschaffen. Da war das hohe Gras einfach niedergefahren oder getrampelt worden. Der Baumbewuchs hatte sich hier zurückgezogen. Die Umgebung wirkte wie eine buschlose Steppe, auf der nur Gras wuchs, das sich im aufkommenden Nachtwind bewegte und durch die Scheinwerfer oft genug bleich wie Mehl aussah.
    Ich hatte den Sitz zurückgestellt und auch die Lehne nach hinten gekippt. Es tat gut, sich fahren zu lassen, auch wenn der Golf über manche Stellen wie ein Schiff bei unruhigem Seegang schaukelte und das Bier in meinem Magen blubberte.
    Ich genoß auch die Fahrt. Es war einer jener seltenen Momente, in denen ich an nichts dachte. Erst recht nicht an meinen Beruf, und so ließ ich mich einfach treiben, wie von Wind und Wellen gepackt, die mich umspülten.
    Jane hatte das Radio eingestellt und einen Sender gefunden, der keine störende Musik brachte. Die Melodien entsprachen unserer Stimmung. Amerikanische Evergreen. Gesungen von Dean Martin, Al Martino oder Frank Sinatra. Passend zu dieser wunderbaren Nacht, deren Himmel ein Heer aus Sternen zierte.
    »Geht es dir gut?« fragte Jane.
    »Ich kann nicht klagen.«
    »Das merkt man auch.«
    »Neidisch?«
    »Überhaupt nicht. Außerdem bin ich Gönnerin.«
    »Danke.«
    Sie lachte leise, aber das nächste Wort, das Jane sprach, paßte nicht zu dieser Stimmung. »Scheiße!«
    Nicht nur das Wort, auch der Tonfall hatte mich überrascht. Ich war sofort alarmiert und setzte mich kerzengerade auf. »Was ist denn?«
    »Da vorn läuft jemand.«
    Die Person war eine Frau. Sie wurde vom Licht der Scheinwerfer erfaßt. Als Jane das Fernlicht einschaltete, sahen wir die Frau deutlicher. Sie ging auf die Straße zu, die sie bald erreicht haben würde. Aber ihr Gang war nicht normal. Jeder Schritt kam mir vor, als könnte sie ihn nur mühsam setzen, wie bei einer Person, die eine sehr schwere Last auf ihren Schultern zu schleppen hatte.
    Die Füße bekam sie kaum vom Boden hoch. Sie schleiften durch das hohe Gras, und es glich schon einem kleinen Wunder, daß die Frau bei diesem unebenen Boden noch nicht gestolpert und gefallen war. Die Haare wippten auf und ab. Ihre Bewegungen waren unregelmäßig. Da schien das Gehirn nicht zu wissen, was die Arme taten, die manchmal haltlos an ihrem Körper entlangschlugen.
    »Das ist nicht normal«, sagte Jane.
    »Ist sie betrunken?«
    »Nein, John, das ist sie nicht. Ich meine eher, daß sie kurz vor der Erschöpfung steht und man ihr helfen muß.«
    »Dann halte an.«
    »Was meinst du, was ich vorhatte?«
    Es waren noch ein paar Meter, dann rollten wir neben der Frau her. Jane überholte sie, bevor sie den Wagen nach links zog und der erschöpften Person den Weg versperrte.
    Die Frau schaffte es nicht mehr, anzuhalten. Der Wagen war für sie zu einem Hindernis geworden, und wir hörten beide, wie sie gegen das Heck prallte. Da hatten wir die Tür schon aufgestoßen und waren ausgestiegen. Die Frau klammerte sich am Wagen fest. Es sah zumindest so aus. Tatsächlich aber hatte sie die Hände gegen die Heckscheibe gedrückt, stand jetzt zitternd da, hielt den Kopf gesenkt und atmete keuchend. Wir waren nahe an sie herangetreten und nahmen auch den Schweißgeruch wahr, der von ihrem Körper ausströmte.
    Sie konnte nicht sprechen. Dazu war sie einfach zu erschöpft. Nur keuchen und husten und auch würgen, so daß wir befürchten mußten, daß sie sich jeden Augenblick übergab.
    Ich faßte sie an.
    Die Frau schrak zusammen und schrie auf. Dann duckte sie sich tiefer, wie jemand, der nach einer Höhle sucht, um sich dort vor aller Welt verstecken zu können.
    »Laß mich mal«, sagte Jane. »Ich werde mit ihr reden und...«
    Dazu kam sie nicht, denn beide hielten wir den Mund, weil wir plötzlich verstanden, was sie immer wieder vor sich hin flüsterte. Es waren Worte, die uns alarmierten.
    »Schlangen und Blut... Schlangen und Blut... Schlangen und Blut...«
    Jane und ich schauten uns an. Wir zuckten mit den Schultern, und die Detektivin fragte: »Habe ich mich geirrt, oder hat sie tatsächlich von Schlangen und Blut gesprochen?«
    »Hat sie.«
    »Und was kann das bedeuten?«
    »Das sollten wir sie fragen. Jedenfalls nichts Gutes.« Ich lachte hart in mich hinein und schüttelte den Kopf. Die abendliche Urlaubsstimmung war verflogen. Der Alltag hatte mich wieder, denn die Worte Schlangen und Blut paßten eigentlich nicht in das
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