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Die Macht der Macht

Die Macht der Macht

Titel: Die Macht der Macht
Autoren: Reiner Neumann
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bemühen uns dabei stetig, die inneren (Persönlichkeit) und äußeren (Situation) Ursachen des Verhaltens einzugrenzen. Dabei unterlaufen uns immer wieder Fehler. Beim Verhalten anderer Menschen konstruieren wir bevorzugt Regeln, die einfach formuliert und allgemein gehalten sind. Damit ermöglichen sie uns eine schnelle Einschätzung anderer Menschen. Wir überschätzen zudem in der Regel den Einfluss persönlicher Faktoren und wir unterschätzen den Einfluss der Situation. Das Verhalten anderer Menschen begründen wir dabei bevorzugt durch Eigenschaften, bei uns selber billigen wir der Situation einen größeren Anteil zu.
    Wenn also der Chef den Mitarbeiter anschreit, dann ist er ein autoritärer, arroganter Typ. Wenn uns dasselbe mit dem Chef oder mit dem Kollegen passiert, dann haben wir nur in dem Moment die Nerven verloren oder der andere hat uns durch sein Verhalten dazu gebracht. Eigentlich sind wir ganz anders.
    Diese Tendenz zur Interpretation der Ursachen des Verhaltens als Eigenschaft ist dann besonders stark, wenn uns das Verhalten anderer Menschen stark beeinflusst oder wenn eine Handlung besonders erfolgreich ist.
    Wenn uns beispielsweise in einer Besprechung jemand auf einen Fehler hinweist, dann vermuten wir sofort, dass er uns nur beim Chef anschwärzen will. Und wenn das Seminar sehr erfolgreich war, dann sicher nur deswegen, weil ich persönlich so gut trainiert habe.
    Eine Ausnahme bilden hier viele Führungskräfte: Sie neigen dazu, Erfolge der Mitarbeiter durch situative Faktoren zu begründen (»wir haben ja auch gute Produkte«) und Misserfolge bevorzugt durch persönliche Ursachen (»Herr Jessen müsste motivierter sein«). Wenn es allerdings darum geht, Erfolge hierarchisch oder gesellschaftlich hochstehender Personen zu interpretieren, dann werden diese bevorzugt auf deren überragende Eigenschaftenzurückgeführt, Misserfolge werden den Umständen oder Dritten angelastet.
Der situative Ansatz nimmt die situativen Faktoren als bestimmend für das Verhalten an.
    Jeder bildet individuelle Theorien zur Erklärung des Verhaltens – bei anderen und bei sich selber.
    Wir machen häufig den Fehler, die persönlichen Anteile zu überschätzen und die Einflüsse der Situation zu unterschätzen.
    Situativ-interaktionistische Theorien nehmen an, dass die verschiedenen Elemente einer Situation den größeren Einfluss auf unser Verhalten haben. Sie setzen voraus, dass wir unser Verhalten kontinuierlich verändern können. Konzepte wie das des lebenslangen Lernens beruhen auf dieser Grundannahme.
Die Theorie vom sozialen Austausch: Social Exchange Theory
    Dieser Ansatz wird auch von der alltäglichen Erfahrung gestützt. Macht braucht ein Gegenüber. Das Gutachten des Experten kann die Investitionsentscheidung nur dann beeinflussen, wenn der Vorstand die Expertise akzeptiert. Die Anweisung des Chefs wirkt nur dann, wenn der Mitarbeiter sie auch befolgt oder wenn dem Chef wirksame Sanktionen zur Verfügung stehen. Die Mehrheit der theoretischen Ansätze zur Erklärung der Mechanismen der Macht folgt genau diesem Grundgedanken. Macht beruht entscheidend darauf, dass beide, der Machthaber und der Partner, diese Macht anerkennen. Der Chef kann nur dann wirksame Anweisungen erteilen, wenn die Mitarbeiter auf die Unterstützung des Chefs beispielsweise in Form einerguten Beurteilung angewiesen sind. Der Berater wird nur dann mit seinem Konzept Erfolg haben, wenn der Kunde seine Expertise anerkennt.
    Auf der Basis dieser Überlegungen sind die Theorien zum sozialen Austausch (Social Exchange Theory) formuliert: Menschen haben Erwartungen an eine Situation. Sie stellen eine implizite Kosten-Nutzen-Rechnung an und vergleichen Alternativen. Die Grundpfeiler dieser Theorie sind die Konzepte Kosten, Nutzen, Ergebnis, Vergleich, Befriedigung und Abhängigkeit. »Kosten« meint Zeitaufwand, Geld oder verlorene, weil durch die getroffene Wahl ausgeschlossene Optionen. »Nutzen« beschreibt materiellen Ertrag, sozialen Status und emotionales Wohlbefinden. »Ergebnis« beschreibt den Unterschied zwischen Kosten und Nutzen. »Befriedigung« berücksichtigt die Tatsache, dass Menschen unterschiedliche Erwartungen an ihre Beziehungen haben und dementsprechend mit demselben Ergebnis unterschiedlich gut zufrieden sind. »Vergleich« bedeutet, dass Menschen ihre aktuelle Situation gegen die verfügbaren (oder die ihrer Ansicht nach verfügbaren) Alternativen abwägen. Viele Optionen oder wenige, dafür aber sehr gute
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