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Die Lutherverschwörung

Die Lutherverschwörung

Titel: Die Lutherverschwörung
Autoren: Christoph Born
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Stadtmitte, und das Gefährt schaukelte gewaltig. Henning schaute ins Wageninnere. Die bemalten Gesichter blickten leer und schienen dem Quietschen der Räder zu lauschen. Das Stadtzentrum tauchte vor ihnen auf, und er sah den rötlichen Schein des Feuers und den als mächtige Wolke aufsteigenden Rauch. Die Silhouette des Doms zeichnete sich ab; er schien von einer Aura umgeben. Henning brachte die Pferde zum Stehen. Sie schnaubten und stampften unruhig mit den Hufen.
    »Ihr wartet hier«, sagte er zu seinen Männern. »Wenn das Feuer heruntergebrannt ist, fahrt ihr weiter. Haltet euch in der Nähe der Stadtmauer und bleibt vom Markt weg. Dann nähert euch seinem Hof. Ich werde dort sein und euch das große Tor von innen öffnen. Wir müssen ein Zeichen vereinbaren, damit ich weiß, wann ihr kommt. Am besten ihr singt ein Lied.«
    »Was für ein Lied?«
    »Maria, du meine Rose! Das kennt hoffentlich jeder.«
    »Am Fasching?«
    »Daran werde ich euch erkennen«, sagte Henning.
    Er ließ seine Männer zurück und machte sich zu Fuß auf den Weg. Selbst wenn das Feuer heruntergebrannt war, würden die meisten Leute sich weiter am Markt und im Stadtzentrum aufhalten. Falls jemand den Wagen mit den Männern bemerkte, konnten sie sich als Spaßmacher ausgeben, als fahrendes Volk.
    Henning hatte seine Aktionen mehrmals in Gedanken durchgespielt. Trotzdem war die Sache heikel. Er hatte ein flaues Gefühl in der Magengegend.
    Henning kannte die Anlage des Hofes. Bevor Gutenberg ihn mietete, wohnte hier ein Patrizier, den Henning einige Male besucht hatte. Über Gutenbergs Umbauten wusste er Bescheid. Henning näherte sich dem rückwärtigen Teil des Anwesens, so wie er es mit Bologna besprochen hatte. Er betrachtete das lang gestreckte hintere Hofgebäude. Wind pfiff durch die Gasse und trieb Schneeflocken vor sich her. Die Straße war leer, die Bewohner der gegenüberliegenden Häuser sicherlich unterwegs. Der Lärm vom Marktplatz klang gedämpft. Er blieb bei einem Fensterladen stehen. Die klobigen Holzläden waren von innen verriegelt. Er zog ein Stemmeisen hervor und brach die Verriegelung auf; es war ein Kinderspiel, fast schon zu leicht. Schwerer fiel ihm das Hineinklettern. Er keuchte, nachdem er es geschafft hatte, und fuhr sich mit der Hand über die Stirn. Im Raum konnte er nichts erkennen; es war zu dunkel. Aber Licht durfte er auf keinen Fall machen. Er schloss die Läden von innen. Nur bei genauem Hinschauen würde jemand bemerken, dass sie aufgebrochen waren.
    Henning musste zum Innenhof gelangen. Dort würde das spärliche Mondlicht ihm weiterhelfen. Die Tür zum Hof musste auf der anderen Seite des Raums liegen. Er streckte die Hände vor sich und ging geradeaus. Er bekam etwas zu fassen: Wäsche! Henning schob ein Tuch zur Seite und schon kam ihm ein anderes in die Quere. Irgendwann verlor er die Geduld, und er riss eines der Tücher von der Leine. Er erreichte die Tür und öffnete sie. Vor ihm lag der Innenhof.
    Henning versuchte sich zu orientieren. Er musste den gesamten Innenhof durchqueren, denn das große Eingangstor lag auf der anderen Seite zur Straße hin. Am Lichtschein über den Dächern erkannte Henning, dass das Feuer noch immer mächtig brannte. Er konnte die Werkstatt von dort, wo er stand, schemenhaft im Mondschein erahnen. In dem flachen Gebäude in der Mitte des Hofes hatte früher ein Schmied gearbeitet. Es würde noch dauern, bis der Wagen mit den Männern kam. Wo steckte Gutenberg?
    Im aufgeweichten Boden setzte Henning vorsichtig einen Fuß vor den andern, um nicht auszurutschen. Er überlegte, ob das Hoftor von innen mit einem Schloss verriegelt war. Er hielt das für unwahrscheinlich, und außerdem trug er die Brechstange bei sich.
    Die Gebäude, die den Hof umgaben, unterschieden sich kaum voneinander. Vor ihm tauchte ein schwarzes Gebilde auf: die Werkstatt. Er blieb stehen und horchte. Das Lärmen und Feiern ein paar Straßen weiter übertönte alle anderen Geräusche. Schneeflocken stoben ihm ins Gesicht und schmolzen auf der Haut. Er ging langsam voran und erreichte die Werkstatt. Dort, wo er stand, an der hinteren Schmalseite, gab es kein Fenster. Er tastete sich an den Brettern zur Längsseite. Und jetzt hörte er etwas. Er erkannte Gutenbergs tiefe Stimme. Durch die Ritzen drang Lichtschein. Er erreichte ein Fenster, und dann konnte Henning in die Werkstatt hineinschauen.
    Er sah Gutenberg und Thomas bei einem Gerät stehen. Das musste die Druckerpresse sein. Sein Herz schlug
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