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Die Lutherverschwörung - historischer Roman

Die Lutherverschwörung - historischer Roman

Titel: Die Lutherverschwörung - historischer Roman
Autoren: Brunnen Verlag
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Fenster. Er tastete sich an den Brettern zur Längsseite. Und jetzt hörte er etwas. Er erkannte Gutenbergs tiefe Stimme. Durch die Ritzen drang Lichtschein. Er erreichte ein Fenster, und dann konnte Henning in die Werkstatt hineinschauen.
    Er sah Gutenberg und Thomas bei einem Gerät stehen. Das musste die Druckerpresse sein. Sein Herz schlug schneller. Er hatte so viel über ihr Aussehen spekuliert. Nun sah er sie zum ersten Mal in natura. Aber was machte der Richter dort? Die beiden waren in ein Gespräch vertieft, und Henning wagte es, seinen Kopf weiter vor das mit Eisblumen bedeckte Fenster zu schieben.
    Â»Meine Setzer haben Anweisung, auf ein harmonisches Schriftbild zu achten«, sagte Gutenberg. »Jede Seite ist in zwei Spalten zu je 42 Zeilen bedruckt. – Aber genauso wichtig für die äußere Schönheit des Buches ist ein anderer Aspekt. Hier, nehmt das bedruckte Papier und haltet es vor die Lampe! Was fällt Euch auf?«
    Henning konnte jedes Wort verstehen. Die beiden waren völlig ahnungslos. Er sah, wie Thomas ein Blatt rechts und links mit Daumen und Zeigefinger fasste und es vor die Lampe hielt. Das Blatt leuchtete hell auf, während das Gesicht des Richters im Schatten lag. »Ich sehe ein Wasserzeichen! Sieht aus wie ein Ochsenkopf.«
    Â»Daran kann man die Papiermühle erkennen. Dieses Papier kommt aus Süddeutschland. Beste Qualität, so genanntes Hadernpapier. Aber darum geht es mir nicht. Was seht Ihr noch?«
    Â»Etwas, das aussieht wie ein Raster«, sagte Thomas unsicher.
    Â»Das ist selbstverständlich. Papier wird geschöpft. Wenn man mit dem Sieb den flüssigen Papierbrei schöpft, bleibt das Raster der Drähte zurück. Es geht mir um die Schrift.«
    Â»Was ist damit?«
    Â»Danke!« Gutenberg nahm ihm verärgert das Blatt aus der Hand und legte es zur Seite. Henning verstand nicht, worüber sich Gutenberg aufregte.
    Â»Die Zeilen auf der Vorder- und Rückseite verlaufen vollkommen deckungsgleich«, brummte der Erfinder. »Das geschieht mit Hilfe kleiner Metallstifte, auf die das Blatt gespannt wird. Sucht Euch mal ein Manuskript mit
so einem Schriftbild!«
    Henning drückte seine Hand gegen den Magen. Die Anwesenheit des Richters verunsicherte ihn. Der Lichtschein über den Hausdächern ließ nach, das Feuer brannte nicht mehr so stark, und der Moment der Entscheidung rückte näher.
    Die Szene, die Henning beobachtet hatte, erinnerte ihn an früher, an die Zeit in Straßburg, als er Gutenbergs Nähe suchte und ihn bewunderte, fast vergötterte. Damals steckte er selbst voller Pläne, und es kam ihm vor, als herrsche im ganzen Land Aufbruchstimmung. Auch Henning hatte von einer Laufbahn als Erfinder geträumt und von Reichtum. Er war von einer Idee besessen, an die er noch immer glaubte. Er hatte sich mit Uhren beschäftigt und deren Mechanismus studiert. Wenn es gelänge, so überlegte er, sie in kleinerem Format herzustellen, dann ließe sich daraus ein Geschäft machen. Aber es war ihm nicht gelungen, seine Pläne zu verwirklichen. Was hatte Gutenberg ihm voraus?
    Johannes war in seinen Gedankengängen kühner gewesen als er, sogar von Flugmaschinen hatte er geschwärmt. War Gutenberg auch zäher und beharrlicher? Henning fing schnell Feuer, aber fast ebenso schnell ließ die Begeisterung wieder nach. Er wusste um diese Schwäche. Trotzdem war es das nicht allein. Henning beherrschte mehrere Handwerke, er kannte sich mit Metallen aus, war neugierig und konnte, ähnlich wie Gutenberg, Zusammenhänge schnell erfassen. Aber Gutenberg
dachte
anders! Nicht nur anders als er, Henning, sondern anders als alle Menschen, die Henning kannte. Das ließ sich nicht lernen. Auch Hennings Frau hatte Gutenberg bewundert!
    Die Erinnerung daran war schmerzlich. Hatte sie ein Verhältnis mit ihm gehabt? Er hatte es nie herausgefunden. Seine Eifersucht hatte ihm schwer zu schaffen gemacht. Verrückt auch, dass die alte Wunde nicht heilen wollte. Nach so vielen Jahren.
    Wenn seine Frau ihn mit Gutenberg verglich: Musste er dann nicht als Versager dastehen? Natürlich stellte sie solche Vergleiche an! Er wusste es, auch wenn sie es nicht zugab. Seine Frau, die er über alles geliebt hatte! Und der er selbst heute noch imponieren wollte. Ließ er sich nicht zuletzt ihretwegen auf das Geschäft mit Bologna ein? Um ihr zu beweisen, dass er nicht der Versager war,
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