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Die Lutherverschwörung - historischer Roman

Die Lutherverschwörung - historischer Roman

Titel: Die Lutherverschwörung - historischer Roman
Autoren: Brunnen Verlag
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schien auf den Beinen zu sein. Er betrat den Gasthof und stieg die Treppe hinauf zu seiner Kammer. Vorsichtig legte er Anna auf sein Bett. Sie sah ganz friedlich und entspannt aus, wie eine Schlafende. Jost ging in einen Nebenraum und holte einen Krug mit Wasser, eine Schüssel und ein Tuch. Er zog einen Stuhl herbei und setzte sich neben das Bett. Er beugte den Kopf über ihr Gesicht, seine Tränen fielen auf ihre Wangen.
    Ein blutiger Kratzer zog sich über ihre Stirn. Jost goss Wasser aus dem Krug in die Schüssel, tauchte das Tuch hinein und betupfte ihre Stirn, bis dort kein Blut mehr war. Jost wusch das Tuch aus und begann nun, auch aus ihren Haaren das Blut zu waschen. In diesem Moment kam es ihm vor, als habe sich ihr Augenlid bewegt. Aber das war vermutlich ein Wunschbild und nicht die Wirklichkeit. Er schaute genauer hin – tatsächlich zitterten beide Augenlider. Mit klopfendem Herzen nahm er ihren Kopf in beide Hände.
    Anna schlug die Augen auf. Aus großen Kinderaugen schaute sie Jost an, als habe sie noch nie in ihrem Leben einen Menschen gesehen.
    Â»Wo bin ich?«
    Jost erwiderte lange nichts. Dann, als er seine Stimme wiederfand, flüsterte er: »Zu Hause!«

E PILOG
    Wittenberg, 1532
    In den Garten des Schwarzen Klosters fiel die Oktobersonne und ließ die verspätete Blüte einer Rose aufleuchten; sie gehörte zu einem Busch, der an der hohen Steinmauer emporrankte. Fünf Kinder, drei Jungen und zwei Mädchen, tollten zwischen den Beeten herum. Anna hatte ein Auge darauf, dass sie auf den Wegen blieben, die mit buntem Laub bedeckt waren.
    Außer dem Rosenbusch – der ihn, wie er sagte, immer an sein Wappen erinnerte – lag Luther ein Apfelbaum am Herzen, der mitten im Garten stand. In seinem Schatten saßen an diesem Nachmittag Anna, Jost und er selbst auf einer Bank. Maria, die vier Jahre alte Tochter von Anna und Jost, streckte ihre schmalen, zerbrechlichen Arme von sich und drehte sich so schnell im Kreis, dass die Schöße ihres roten Rockes durch die Luft wirbelten.
    Â»Und das alles erzählst du mir erst heute?«, sagte Luther und legte Jost die Hand auf die Schulter. »Dann war die Gefahr in Worms noch größer, als ich ahnte.«
    Â»War es denn nicht auch so schon schwer genug für dich?«, fragte Anna. »Wir wollten dich nicht unnötig belasten.« Und Jost ergänzte: »Du hättest damals auf dem Scheiterhaufen enden können!«
    Â»Dann wird mir erst heute klar«, sagte Luther, »dass ich ohne euch nicht hier säße, dass ich Katharina nicht kennengelernt hätte und es unsere Kinder nicht gäbe. Ich bin heute so glücklich und zufrieden wie noch nie in meinem Leben. Brangenberg kannte ich kaum, war ihm nur einmal flüchtig begegnet. Ob er wohl noch lebt?«
    Der Bischof war, wie alle wussten, spurlos verschwunden nach einem Volksaufstand, in dessen Folge er aus seinem Bistum flüchtete, das sich heute zu Luthers Lehre bekannte. Er hatte seinen gesamten Besitz verloren, und es gab Gerüchte, man habe ihn als Bettler durchs Land ziehen sehen. Auch von Wulf Kramer fehlte nach der Explosion jegliche Spur; an seinem Tod jedoch zweifelte niemand. Nicht einmal ein Wunder hätte ihn retten können, so nahe stand er bei den Pulverfässern.
    Â»Erst rückblickend betrachtet«, sagte Luther, »machen die Ereignisse von damals für mich Sinn, und ich erkenne darin Gottes Weisheit und seine lenkende Hand. In Worms stand ich einige Male nahe davor, an ihm zu verzweifeln, auch wenn ich nach außen stark wirkte. Heute betrachte ich die Reichsacht, die Karl nach den Verhandlungen über mich verhängte, als einen Segen.«
    Â»Bist du sicher?«, fragte Anna zurück. »Immerhin hat der Kaiser deine Schriften verboten!«
    Â»Was hat denn das Wormser Edikt bewirkt?« Luther hob die Hände. »Gut, in den katholischen Ländern übte man eine strenge Zensur aus und tut es noch heute, aber nicht einmal dort hat man damit durchschlagenden Erfolg. Wer will alle Wanderdrucker und Buchführer kontrollieren, die durchs Land ziehen? Und was die deutsche Bibel betrifft … Hätte ich nicht auf Friedrichs Geheiß auf die Wartburg fliehen müssen, wäre die Übersetzung wahrscheinlich nie entstanden.«
    Â»Ist dieser Ort wirklich so einsam, wie man sagt?«
    Â»Ich langweilte mich zu Tode«, sagte Luther. »Einmal, an einem grauen und verregneten
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