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Die Luna-Chroniken, Band 2: Wie Blut so rot (German Edition)

Die Luna-Chroniken, Band 2: Wie Blut so rot (German Edition)

Titel: Die Luna-Chroniken, Band 2: Wie Blut so rot (German Edition)
Autoren: Marissa Meyer
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näherten sich und tauchten als Schemen über ihm auf.
    Da sie die Szene jetzt schon mindestens ein Dutzend Mal gesehen hatte, hielt Scarlet nach dem verlorenen Fuß Ausschau, auf dem sich das Licht aus dem Ballsaal spiegelte. Nach dem Cyborg-Fuß des Mädchens.
    »Angeblich ist das dort auf der rechten Seite die Königin«, meinte Emilie. Scarlet erschrak, sie hatte nicht bemerkt, dass die Kellnerin neben ihr stand.
    Der Prinz – nein, jetzt war er ja Imperator – kam langsam die Stufen herunter und bückte sich nach dem Fuß. Das Mädchen bemühte sich, das Ballkleid über die Kabel zu zerren, die sich wie Tentakel aus ihrem Metallstumpf herauswanden, aber dazu war es schon zu spät.
    Scarlet waren schon viele Gerüchte zu Ohren gekommen. Angeblich war das Mädchen nicht nur eine Lunarierin – ein illegaler Flüchtling und eine Gefahr für die Erde –, sie sollte es auch fertiggebracht haben, Imperator Kai einer Gehirnwäsche zu unterziehen. Manche vertraten die Meinung, sie sei auf Geld aus, und andere, es gehe ihr um Macht. Oder wollte sie den Krieg anzetteln, der schon so lange drohte? Welche Motive sie auch haben mochte, Scarlet hatte Mitleid mit ihr, wie sie so hilflos da unten an der Treppe lag. Das Mädchen war noch keine zwanzig, sogar jünger als sie selbst.
    »Wie war das, wer wollte sie von ihrem Elend erlösen?«, brüllte ein Typ an der Bar.
    Roland deutete auf den Bildschirm. »Ich hab in meinem ganzen Leben noch nie so was Ekelerregendes gesehen.«
    Von hinten reckte jemand den Kopf aus der Menge, um Roland besser sehen zu können. »Mann, hör doch auf! Sie ist süß und so unschuldig. Die sollten sie besser mal zu mir schicken als auf den Mond.«
    Dreckiges Lachen. Roland schlug so fest auf die Theke, dass ein senfverschmierter Teller klirrte. »Klar, so ein Metallbein macht ein Betthäschen erst richtig kuschelig!«
    »Du Dreckskerl!«, zischte Scarlet, aber die Beleidigung ging in dem schallenden Gelächter unter.
    »Mir würde es auch nichts ausmachen, sie ein bisschen aufzuwärmen!«, schrie ein anderer, und die Kneipe dröhnte von Beifall und allgemeiner Heiterkeit.
    In Scarlet stieg die kalte Wut hoch. Sie knallte den Tellerstapel auf den Tisch und bahnte sich einen Weg hinter die Bar, ohne auf die überraschten Gesichter der anderen zu achten.
    Der Barkeeper sah verdattert zu, wie Scarlet ein paar Flaschen aus dem Weg räumte und geschickt auf den Tresen sprang. Sie reckte sich, öffnete die Wandverkleidung unter dem Regal mit den Cognacgläsern und zerrte am Netlink-Kabel. Der Palastgarten und das Cyborg-Mädchen verschwanden, die drei Bildschirme in der Schänke wurden schwarz.
    Die Gäste protestierten laut.
    Scarlet wirbelte herum und fegte eine Weinflasche vom Tresen, die auf dem Boden zersplitterte, doch sie hörte es kaum. Sie fuchtelte mit dem Kabel über der aufgebrachten Menge herum. »Etwas mehr Respekt! Dieses Mädchen wird hingerichtet!«
    »Das Mädchen ist Lunarierin!«, schrie jemand. »Geschieht ihr recht!«
    Die Gäste nickten; jemand warf mit einem Brotkanten nach Scarlet und traf sie an der Schulter. Sie stemmte die Hände in die Hüften. »Sie ist doch erst sechzehn!«
    Alle sprangen auf und schrien irgendwas über Lunarier durcheinander. Aus dem allgemeinen Gebrüll hörte Scarlet heraus: Das Mädchen wollte schließlich ein Staatsoberhaupt der Union töten!
    »Hey, entspannt euch und lasst Scarlet in Ruhe!«, brüllte Roland. Der Whiskey hatte sein Selbstbewusstsein gestärkt. »Ihr wisst doch, dass die in Scars Familie nicht mehr alle Tassen im Schrank haben. Erst verduftet die alte Ziege spurlos und jetzt verteidigt Scarlet Lunarier!«
    Das Gelächter und die höhnischen Rufe dröhnten Scarlet in den Ohren. Plötzlich hieb sie auf Rolands Kopf ein, ohne überhaupt zu wissen, wie sie vom Tresen gekommen war. Gläser und Flaschen gingen zu Bruch.
    Er japste nach Luft. »Hey, was ist denn in dich gefahren?«
    »Meine Großmutter ist nicht verrückt!« Sie packte ihn am Hemd. »Hast du das dem Kommissar auch gesagt? Hast du ihm gesagt, dass sie nicht richtig tickt?«
    »Natürlich habe ich ihm das gesagt!«, schrie er. Seine Fahne war widerlich, trotzdem krallte sie sich an seinem Hemd fest, bis ihr die Fäuste wehtaten. »Und ich war mit Sicherheit nicht der Einzige. Die hat sich doch immer in ihrer Bruchbude eingeigelt und mit Tieren und Androiden geredet, als wären sie ihre Freunde. Und die Menschen hat sie dann mit dem Gewehr verjagt …«
    »Nur ein
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