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Die Lilie im Tal (German Edition)

Die Lilie im Tal (German Edition)

Titel: Die Lilie im Tal (German Edition)
Autoren: Honoré de Balzac
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um Sie nicht zu verlieren, und ich liebte meine Leiden, weil ich sah, daß wir beide ans gleiche Joch gespannt waren. Mein Gott, ich bin unparteiisch und meinem Mann treu geblieben, ich erlaubte Ihnen keinen einzigen Schritt in Ihrem Königreich, Felix. Die Größe meiner Leidenschaft erhöhte meine Geduld, ich betrachtete die Leiden, die mir Monsieur de Mortsauf auferlegte, als eine Sühne und ertrug sie stolz, um meine sündigen Neigungen zu verleugnen. Früher war ich oft versucht zu murren; aber seitdem Sie an meiner Seite standen, habe ich etwas von der Heiterkeit wiedergefunden, die Monsieur de Mortsauf sehr zustatten kam. Ohne die Kraft, die Sie mir verliehen, wäre ich längst der innern Qual erlegen, von der ich Ihnen erzählt habe. Gewiß haben Sie zum großen Teil schuld an meinem Vergehen, aber Sie haben auch teil an der Erfüllung meiner Pflichten. Und ebenso verhielt es sich mit meinen Kindern. Ich glaubte sie in manchem beraubt zu haben und fürchtete, nie genug für sie zu tun. Von da an war mein Leben ein ununterbrochenes Leid, das ich liebte. Als ich fühlte, daß ich weniger Mutter, weniger treue Gattin sei, nistete sich die Reue in meinem Herzen ein, und aus Angst, meinen Verpflichtungen nicht nachzukommen, habe ich mich übertreffen wollen. Um keinen Fehltritt zu begehen, stellte ich dann Madeleine zwischen Sie und mich. Ich habe Sie beide füreinander bestimmt und damit Schranken zwischen uns errichtet. Nutzlose Schranken! Nichts konnte mich vor dem Fieber retten, das Sie mir verursachten. Ob anwesend oder nicht, immer besaßen Sie die gleiche Macht. Ich habe Madeleine Jacques vorgezogen, weil Madeleine Ihnen gehören sollte; aber ich überließ Ihnen meine Tochter nicht ohne Kämpfe. Ich sagte mir, daß ich erst achtundzwanzig Jahre alt war und Sie fast zweiundzwanzig, als ich Sie traf. Ich verminderte den Abstand, ich gab mich trügerischen Hoffnungen hin. Ach, Felix, ich mache Ihnen diese Geständnisse, um Ihnen Gewissensbisse zu ersparen, vielleicht auch, um Ihnen zu beweisen, daß ich nicht gefühllos, daß Ihr Liebeskummer redlich geteilt und daß Arabella mir nicht überlegen war. Auch ich gehörte zu den Töchtern der gefallenen Rasse, welche die Männer sei sehr lieben. Es gab Augenblicke, wo der Kampf so heftig tobte, daß ich nächtelang nicht schlief. Mein Haar fiel aus; das besitzen Sie! Sie erinnern sich der Krankheit Monsieur de Mortsaufs. Ihr Edelmut von damals erhob mich nicht, er drückte mich nieder. Ach, von diesem Tage an wünschte ich, mich Ihnen geben zu können, zum Lohn für so viel Heldenmut! Aber dieser Wahnsinn war von kurzer Dauer. Ich habe ihn Gott geopfert während der Messe, der Sie nicht beiwohnen wollten. Jacques' Krankheit und Madeleines Leiden waren nur Warnungen Gottes, der sein verirrtes Schaf gewaltsam an sich zog. Dann hat mir Ihre so erklärliche Liebe für diese Engländerin Geheimnisse entschleiert, von denen ich selbst nichts wußte. Ich liebte Sie mehr, als ich Sie zu lieben glaubte. Madeleine trat zurück. Die ständigen Erregungen meines stürmischen Lebens, meine Bemühungen, mich selbst zu zügeln, ohne andern Beistand als den Glauben, das alles hat der Krankheit vorgearbeitet, an der ich sterbe. Dieser schreckliche Schlag hat Krisen herbeigeführt, über die ich geschwiegen habe. Der Tod erschien mir als einzig mögliche Lösung dieser unerforschlichen Tragödie. Ein ganzes Leben, ein wütendes, eifersüchtiges, wildes Leben lag in den zwei Monaten zwischen der Nachricht, die mir meine Mutter von Ihren Beziehungen zu Lady Dudley gab, und Ihrer Ankunft. Ich wollte nach Paris. Ich dürstete nach Mord, ich wünschte den Tod jener Frau, ich war unempfänglich für die Liebkosungen meiner Kinder. Das Gebet, das bis dahin ein Balsam für mich gewesen war, verlor jede Wirkung ... Die Eifersucht hat da die breite Bresche geschlagen, durch die der Tod eintrat. Trotzdem blieb meine Stirn heiter. Ja, diese Monate des Kampfes waren ein Geheimnis zwischen Gott und mir. Als ich davon überzeugt war, daß ich ebensosehr geliebt wurde, wie ich selbst liebte, und daß mich nur Ihre Sinne, nicht Ihre Gedanken verleugnet hatten, da wollte ich leben! Es war zu spät. Gott hatte mich unter seinen Schutz gestellt, wohl von Mitleid ergriffen für ein Wesen, das sich selbst, das ihm treu war und das der Schmerz oft bis an die Tore des Heiligtums geführt hatte. Mein Geliebter, Gott hat über mich geurteilt. Monsieur de Mortsauf wird mir wohl vergeben, aber Sie? Werden
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