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Die Liebe des Wanderchirurgen

Die Liebe des Wanderchirurgen

Titel: Die Liebe des Wanderchirurgen
Autoren: Wolf Serno
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gekommen.«
    Pater Alfredo horchte auf. Es war ein anderer Ton, der da plötzlich durch die Trennwand klang. Sollte seine Langmut sich doch auszahlen? »Warum seid Ihr heute hier?«, fragte er.
    »Weil meine Mutter es so wollte.«
    »Eure Mutter wollte es?«
    »Ja, sie sitzt draußen in der Kutsche und wartet dort auf mich, denn sie ist gebrechlich.«
    Pater Alfredo überlegte. »Ich vermute, Eure Mutter wollte schon öfter, dass Ihr zur Beichte geht, warum habt Ihr erst heute auf sie gehört?«
    »Darüber möchte ich nicht sprechen.«
    »Darüber müsst Ihr sprechen.«
    »Nun gut, seid Ihr sicher, dass kein Sterbenswort aus diesem Kasten an die Öffentlichkeit dringt?«
    Pater Alfredo spürte erneut Unmut. »Alles, was Ihr sagt, sagt Ihr
sub rosa,
also unter der Rose. Die geschnitzte Rose schmückt diesen ›Kasten‹, wie Ihr ihn zu nennen beliebt, in üppiger Pracht und ist das Zeichen der Verschwiegenheit. Seid versichert, ich werde das Beichtgeheimnis in jedem Fall wahren.«
    »Nun gut, ich glaube Euch. Ich will noch heute an Bord eines Schiffs gehen, das mich in die Spanischen Niederlande bringt.«
    »Aha. Und weiter?«
    »Ich bin Seiner Exzellenz Paolo Farnese, einem Neffen des Herzogs von Parma, versprochen. Ich werde ihn heiraten.«
    »Und nehmt dies zum Anlass, Eure Seele zu reinigen, bevor Ihr die gefährliche Reise antretet. Das nenne ich gottgefällig«, ergänzte Pater Alfredo. Er war sehr zufrieden mit sich. Geduld zahlte sich am Ende doch aus.
    »Ich höre«, sagte er.
     
     
     
     
     
     
     
     
     
    Als Taggart durch die Fallreepspforte seine
Falcon
betrat, hatte er Mühe, ein gleichgültiges Gesicht zu ziehen, nicht, weil der ihm übertragene Einsatz ihn sonderlich beunruhigte, sondern weil es ihn erhebliche Mühe gekostet hatte, die Jakobsleiter hinaufzuklettern. Schuld daran war der Zahn der Zeit, der auch vor seinen Gelenken nicht haltmachte. Er zählte zweiundsechzig Jahre, und mit jedem Monat, den Gott werden ließ, fiel es ihm schwerer, die Beine zu biegen.
    »Willkommen an Bord, Sir!« John Fox, der Erste Offizier, stand an Deck und grüßte.
    »Danke, John.« Taggart unterdrückte ein Ächzen und richtete sich bolzengerade auf. »Irgendwelche Neuigkeiten?«
    »Bei uns nicht, Sir.«
    Taggart grinste schief, er hatte die unausgesprochene Frage verstanden. »Kommt mit in meine Kajüte.« Gemeinsam schritten sie über das Hauptdeck nach achtern und betraten den Raum des Kommandanten. Im Gegensatz zu Drake, der gerne zeigte, was er hatte, war Taggarts Reich eher spartanisch eingerichtet. Nur zwei oder drei schöne Mahagonimöbel standen darin sowie ein großer, seefest verschraubter Tisch, an dem zehn Männer bequem speisen konnten, ferner ein drehbarer Globus aus spanischem Besitz, ebenfalls fest mit dem Deck verbunden, weitere Stühle und ein Kartentisch, auf dem sich Seekarten und Navigationstabellen türmten, hier und da beschwert von nautischen Instrumenten wie Abgleichzirkel, Reißfeder und Winkelfasser. Unter dem großen Heckfenster, hinter einem Paravent, hatte Taggart den Nachtstuhl und eine Waschgelegenheit plazieren lassen.
    Der insgesamt recht großzügige Eindruck wurde nur unterbrochen durch das massive Rund des Besanmasts, der mittig die Kajüte teilte.
    Taggart setzte sich an den Kartentisch und forderte Fox auf, Platz zu nehmen. Tipperton, der Schiffsschreiber, der gleichzeitig für Getränke zu sorgen hatte, erschien in der Tür und fragte gähnend, was die Herren wünschten.
    »Nichts«, blaffte Taggart, der Tipperton nicht sonderlich mochte, da dieser stets eine kaum hinnehmbare unmilitärische Art an den Tag legte. Dennoch gehörte Tipperton seit Jahren zum Inventar, vielleicht, weil er trotz seiner Pomadigkeit sämtlichen Papierkram zuverlässig erledigte.
    Als der Schreiberling verschwunden war, seufzte Taggart und streckte seine schmerzenden Beine aus. »Ich sage immer: Ehe Tipperton sich bewegt, bleibt die Zeit stehen!«
    John Fox lachte und strich sich über seinen Vollbart.
    »Nun will ich Euch aber nicht länger auf die Folter spannen. Hört, was es Neues gibt.« Taggart erzählte ausführlich von dem Kapitänstreffen an Bord der
Elizabeth Bonaventure
und fügte am Schluss hinzu, dass es Aufgabe der
Falcon
sein würde, das Geschwader während des Überfalls nach hinten abzusichern.
    John Fox schwieg eine Weile und sagte dann: »Das wird eine knifflige Aufgabe, Sir.«
    »So ist es, aber wir werden sie lösen. Seid jetzt so gut, und bringt die
Falcon
wieder in
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