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Die Liebe der Baumeisterin: Roman (German Edition)

Die Liebe der Baumeisterin: Roman (German Edition)

Titel: Die Liebe der Baumeisterin: Roman (German Edition)
Autoren: Heidi Rehn
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und dick traten die Adern an den Schläfen hervor. »Du warst an dem Plan! Du hast etwas daran verändert. Er liegt nicht mehr so, wie ich ihn hingelegt habe.« Patsch! Die Maulschelle traf Dora auf der linken Wange. Es brannte fürchterlich. Sie schluckte die Tränen hinunter und hielt sich trotzig aufrecht. Das erzürnte den Vater noch mehr. »Habe ich dir nicht ausdrücklich verboten, in meiner Werkstatt etwas anzufassen? Du hast hier oben gar nichts zu suchen. Dein Platz ist unten in der Küche. Kümmere dich um das Bierbrauen, sieh Renata auf die Finger. Mehr kommt dir als Weib nicht zu.«
    »Doch!«
    »Halt dein Maul!« Wieder hob er die Hand und wollte zuschlagen.
    »Nicht, Vater, bitte!« Schützend warf sich Jörg vor sie. »Ich kann Euch alles erklären. Letzten Montag habt Ihr mir den Plan gezeigt. Dabei habt Ihr Eure Sorge geäußert, dass Gerichtsrat Jonas noch immer nicht entschieden hat, ob er Euch mit dem Bau beauftragen soll. Das hat mich zum Grübeln gebracht. Seit Tagen sitze ich jede freie Minute über dem Entwurf. Verzeiht meine Kühnheit, aber vielleicht fehlt dem verehrten Jonas noch etwas? Es mag nur eine Kleinigkeit sein. Bitte schenkt mir kurz Gehör. Vielleicht kann Euch mein Einfall helfen, um Jonas zu überzeugen.«
    »Was sagst du da?« Verdutzt schaute Wenzel zwischen seinen beiden ältesten Kindern hin und her. Der Ärger auf seinem Gesicht schwand langsam. Jörg reckte sich, Dora duckte sich hinter seinem Rücken fort. Bald spiegelte Wenzels Miene einen Anflug von Stolz wider. »Wusste ich es doch, mein Sohn. Eigentlich habe ich fest damit gerechnet, dass dir etwas einfällt. Lass hören!«
    Er zog ihn näher zum Tisch und wies auf den Entwurf. Erstaunt verfolgte Dora das Geschehen. Sollte sie sich freuen oder vor Wut platzen? Schon beugten sich die beiden einträchtig über den Aufriss. Auf Zehenspitzen schlich sie sich zu ihnen und lauschte.
    »Über dem Eingangstor wäre ein Wimperg geschickt«, begann Jörg. Fast im gleichen Wortlaut wie sie vorhin ihm erläuterte er nun dem Vater, wie sich der schlicht gehaltene Entwurf zu einem eindrucksvollen Gebäude umgestalten ließ, das dem Rang und Ansehen seines Bauherrn gerecht wurde. Geduldig hörte Wenzel zu. Dora wunderte sich immer mehr. Hatte sie sich doch in ihrem Bruder getäuscht? Tatsächlich hatte er begriffen, worauf es bei dem Bau für den Gerichtsrat ankam. Bald erfasste sie Eifersucht. Wie selbstverständlich Jörg ihre Gedanken als die seinen ausgab! Er schien völlig vergessen zu haben, wie der Entwurf zustande gekommen war. Je mehr sie der Begeisterung des Vaters gewahr wurde, je mehr verdrängte der aufkeimende Stolz auf das eigene Können allerdings wieder ihren Unmut. Ihr Plan war hervorragend. Es ging allein um die Sache, und die war sehr gut. Es war nicht wichtig, wer sie ins Rollen gebracht hatte. Am Ende zogen sie alle ihren Vorteil daraus, wenn Jonas Baumeister Wenzel Selege mit dem Bau seines neuen Hauses beauftragte.
    »Ausgezeichnet, mein Sohn«, lobte der Vater, kaum dass Jörg geendet hatte, und klopfte ihm wohlwollend auf die Schulter. »Wahrscheinlich hätte ich dir schon eher freie Hand lassen sollen. Ich war einfach blind. Der Funke von unserem Ahn Laurenz ist längst auf dich übergesprungen, und ich merke das erst jetzt. Aber noch ist es nicht zu spät. Gleich nachher wirst du die Änderungen am Aufriss vornehmen. Dann werde ich morgen damit bei Jonas vorsprechen. Gewiss ist es nur eine Frage von Tagen, bis er uns den Auftrag erteilt.« Sein Zorn war verraucht. Zufrieden wandte er sich um, schaute mit einem siegesgewissen Lächeln in seiner Werkstatt umher, winkte Jörg schließlich an seine Seite. »Der Herzog schickt nächste Woche seinen neuen Baumeister Christoff Römer mitsamt einigen Kunstdienern in die Fremde«, fuhr er fort. »Mir ist es gelungen, dich in diese Gruppe aufnehmen zu lassen. Das ist eine ungeheure Ehre. Du bist noch jung und hast dir noch keinen Ruf erworben. Solltest du den hohen Ansprüchen der Herren nicht genügen, fällt das auf mich als deinen Vater und Lehrmeister zurück. Deshalb hatte ich zunächst schon überlegt, dich vielleicht erst später …«
    »O Vater, nur zu gern«, warf Jörg ein. Deutlich war zu hören, wie eine zarte Hoffnung in ihm aufkeimte. »Nur zu gern verzichte ich und bleibe hier bei Euch in der Werkstatt. Es gibt noch so viel zu lernen und an meiner Kunst zu feilen. Ihr sagt es selbst oft genug: Nie ist man wirklich Meister seiner Kunst.«
    »Nein,
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