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Die letzte Flut - Die letzte Flut - Flood

Titel: Die letzte Flut - Die letzte Flut - Flood
Autoren: Stephen Baxter
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Fahrer erklärte, viele der älteren Londoner Gebäude würden gerade hochwasserfest gemacht - ihre Fundamente würden verstärkt, die unteren Etagen mit Sandsäcken umkleidet. Kurz darauf strömte um sie herum eine Schar wütend dreinschauender Büroangestellter, Einkaufsbummler und Schüler auf die Straße. Der
Fahrer schaltete das Radio ein. Im Verkehrsfunk hieß es, die U-Bahn-Station Knightsbridge habe wegen Überschwemmung evakuiert werden müssen. Außerdem war die Rede von einem stärker werdenden Sturm über der Nordsee, der vermutlich Probleme für die Ostküste mit sich bringen werde.
    Der Fahrer schaltete das Radio wieder aus, und sie warteten darauf, dass sich die Blockade auflöste. Lily blickte auf die Fahrzeugschlangen, die stehenden Autos und gesperrten Fahrspuren, die griesgrämigen, klatschnassen Menschen, die auf den Bürgersteigen dahinplatschten und versuchten, ihren Angelegenheiten nachzugehen. Ihre eigene enervierende Fahrt kam ihr erheblich länger vor als bloß ein paar Kilometer.
     
    Es war wie eine Erlösung, als sie schließlich beim Haus ihrer Mutter aus dem Wagen stiegen. Lily wusste nicht recht, ob sie dem Fahrer ein Trinkgeld geben sollte, und wenn, wie viel; während ihrer Abwesenheit schien es einen Inflationsschub gegeben zu haben. Sie reichte ihm zwanzig Pfund. Er sah weder enttäuscht noch überrascht drein und fuhr davon.
    Lily atmete tief durch und versuchte, sich zu orientieren. Sie waren in Fulham, in der Arneson Road, rund einen Kilometer nördlich des Flusses. Das Haus gehörte zu einer Reihe spätviktorianischer Stadthäuser, alle aufwendig renoviert und mit Satellitenschüsseln bestückt. Sandsäcke kauerten in dem kleinen Vorgarten, der Keller mit seinem vom Bürgersteig halb verdeckten Fenster war mit Brettern verrammelt und wurde offensichtlich nicht mehr genutzt. Es war ein komisches Gefühl, nach so langer Zeit wieder hier zu sein. Alles
kam Lily kleiner vor, als sie es in Erinnerung hatte. Sie war froh, dass sie daran gedacht hatte, Gary mitzunehmen; er war so etwas wie ein Symbol ihres anderen Lebens.
    Gary sah skeptisch zu den drei Stockwerken des Hauses hinauf, wo PVC-Rahmen die ursprünglichen Schiebefenster ersetzt hatten. »Ganz schön schmal, das Haus«, sagte er.
    »Schmal, aber tief«, erwiderte Lily bemüht munter. »Mehr Platz, als man denkt. Komm mit.« Sie traten durch eine niedrige Pforte. Ein Weg durch den schwach nach Abwasser stinkenden, klebrigen Matsch war freigeräumt worden. »Jedenfalls macht meine Mutter den besten Schokoladenkuchen in Westlondon.«
    Aber nicht Lilys Mutter öffnete die Tür, sondern ihre Schwester Amanda. Und Lily erfuhr, dass ihre Mutter tot war.

4
    Amanda führte sie durch das Haus in die Küche. Das Erdgeschoss war ein einziger großer, offener Raum, und zwar schon seit den 1970er Jahren, als man bei einem Umbau die Innenwände herausgerissen hatte.
    Im Wohnzimmer sah Lily sich neugierig um. Die Bücher ihrer Mutter waren fort, die altersschwachen Möbel verschwunden. Der abgenutzte alte Teppich, an den Lily sich aus ihrer Kindheit erinnerte, war ebenfalls nicht mehr da; seinen Platz hatten nun billig aussehende Keramikfliesen eingenommen. Die unteren Bereiche der Wände waren weder gestrichen noch tapeziert, und Lily bemerkte grob in den Putz geschnittene Furchen, wo die Steckdosen bis auf etwa einen Meter über dem Fußboden verlegt worden waren. Der bei der Renovierung in den Siebzigern dichtgemachte Kamin war wieder offen und rußgeschwärzt; offenbar war er erst vor kurzem benutzt worden.
    In der kleinen Küche hatte sich viel weniger verändert als im Wohnzimmer. Sie war noch immer genauso vollgestopft, wie Lily sie in Erinnerung hatte, nun allerdings mit Amandas typischem Krimskrams, in erster Linie zahllosen Gläsern und Dosen mit Gewürzen, die ihre Begeisterung für die indische Küche bezeugten. Amanda ließ ihre Gäste auf hohen Barhockern Platz nehmen und reichte ihnen Becher mit heißem
Kamillentee. Auf einem Bord über dem Tisch standen Fotos von Lilys Mutter und Amandas Kindern, aber auch ein großes Porträt von Lily selbst, ihr offizielles USAF-Bild, ein jüngeres, smartes Ich in einer schneidigen Uniform. Lily war gerührt, es dort zu sehen.
    Sie versuchte zu verdauen, dass ihr Leben sich so sehr verändert hatte, ohne dass sie daran teilgenommen hatte - dass ihre Mutter schon vor ganzen zwei Jahren gestorben und ihre Schwester von ihrer alten Wohnung in Hammersmith in das ehemalige Elternhaus
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