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Die letzte Flut - Die letzte Flut - Flood

Titel: Die letzte Flut - Die letzte Flut - Flood
Autoren: Stephen Baxter
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haben wir«, sagte Helen. »Keiner außer uns wird das jemals verstehen.«
    Und nun wurden sie in eine Welt entlassen, die sich offensichtlich verändert hatte.
    »Hört zu«, sagte Lily impulsiv. »Legen wir ein Gelöbnis ab. Wir bleiben in Verbindung, wir vier. Wir kümmern uns umeinander. Wenn einer in Schwierigkeiten gerät, kommen die anderen und sehen nach ihm. Das gilt übrigens auch für Grace.«
    Gary nickte. »Wenn aus dieser Scheiße irgendwas Gutes rauskommen kann, bin ich dabei.« Er streckte die Hand aus, die Handfläche nach oben. Lily legte ihre Hand in seine, dann legte Helen ihre auf Lilys Hand. Piers streckte blindlings den Arm aus. Lily musste ihm helfen, die Hände der anderen zu ergreifen.
    »Fürs ganze Leben«, sagte sie. »Und für Grace.«
    »Fürs ganze Leben«, murmelten Helen und Gary.
    George Camden kam mit raschen Schritten zurück. »Los geht’s! Am Flughafen wartet eine C-130 auf uns.«
    Sie eilten ihm nach.
     
    Hastig kletterten sie an Bord des Choppers und schnallten sich an den Segeltuchsitzen fest. Selbst hier ließ Piers das Handtuch über dem Gesicht. Helen durfte ihr Baby nicht halten; Grace lag ein paar Meter entfernt in einer auf dem Schalensitz neben dem Arzt festgeschnallten Wiege.
    Der Hubschrauber hob ab und stieg abrupt in die Höhe. Als Frau vom Fach fand Lily, dass der Pilot ein bisschen ruppig zu Werke ging.

    Die Maschine stieg an der Fassade der Kathedrale entlang nach oben, die mit ihren gewaltigen Dimensionen und ihrer eigen tüm lichen Formlosigkeit eher einem natürlichen Sandsteinfelsen als einem Gebilde von Menschenhand ähnelte. Lily sah die Narben des Krieges: Granattrichter, zerbrochene Türmchen, klaffende Löcher in einem abgebrannten Dach.
    Dann wurden sie noch höher emporgehoben, und Lily spähte neugierig auf die Stadt hinab. In den fünf Jahren, in denen sie eingesperrt gewesen war, hatte sie kaum etwas anderes als das Innere von Vorortkellern und Lagerhäusern gesehen. Barcelona war ein Konglomerat aus Neubaugebieten, das im Südosten von der Mittelmeerküste, im Nordwesten von Bergen und auf beiden Flanken von Flüssen eingefasst wurde, dem Llobregat im Süden und dem Besos im Norden. Wohnviertel drängten sich um niedrige Hügel. Die neueren, landeinwärts gelegenen Stadtteile bildeten einen Flickenteppich aus rechtwinkligen Blöcken, während Glasnadeln gleichende Wolkenkratzer das Geschäftsviertel und die Küste sprenkelten.
    Die Spuren des Konflikts waren unübersehbar: ausgebrannte Gebäude, schuttübersäte Straßen, in denen nur Panzerfahrzeuge fuhren, ein Block gläserner Hochhäuser mit eingedrückter Fassade. Ein Stadtteil brannte offenbar unkontrolliert. Doch inmitten der Schäden gab es Anzeichen von Wohlstand, komplette, mit Mauern abgeriegelte Stadtrandsiedlungen, die von Rasenflächen, Golfplätzen und hellen, neuen Gebäuden grün-weiß gefärbt wurden. Selbst aus der Luft erkannte man, dass Barcelona, entstellt von Gewalt und der Invasion internationaler Organisationen, sich in eine Stadt mit festungsartigen, eingezäunten Nobelsiedlungen
inmitten zu Elendsquartieren verfallender, älterer Viertel verwandelt hatte.
    Und überall war Wasser. Es bildete Pfützen und Lachen auf den Straßen, stand an den Füßen der hohen Gebäude im Geschäftsviertel, glitzerte auf den Flachdächern der Häuser, in Abzugskanälen und Abflussrinnen - Spiegelflächen, die den grauen Himmel reflektierten, wie Teiche aus geschmolzenem Glas. Die beiden Flüsse, die das Stadtgebiet begrenzten, schienen sich über ihre Schwemmebenen ausgebreitet zu haben. Lily hatte gedacht, Spanien würde austrocknen. Deshalb war Gary ja ursprünglich hierhergekommen: um Datenmaterial über ein Klima zu sammeln, das sich in Richtung Aridität entwickelte.
    Im Südosten brach sich das wogende Mittelmeer an Deichen. Von den weitläufigen Sandflächen, an die Lily sich erinnerte, war nichts mehr zu sehen. Sie tippte Camden auf die Schulter. »Wo ist der Strand?«
    Er grinste sie an. »Ich hab’s Ihnen doch gesagt«, erwiderte er mit lauter Stimme. »Es hat sich einiges verändert. Nicht unbedingt zu Ihrem Nachteil übrigens. Diese ganzen Überschwemmungen haben die Extremisten aus ihren Kellern getrieben wie Ratten aus der Kanalisation. Die konnten Sie nirgends mehr festhalten. Was den Rest betrifft - na, Sie werden’s bald sehen.«
    Der Hubschrauber schoss vorwärts und schwenkte landeinwärts ab. Lily war schwindlig. Ihr leerer Magen rebellierte.

3
    Als Lily und Gary
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