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Die letzte Einheit: Roman (German Edition)

Die letzte Einheit: Roman (German Edition)

Titel: Die letzte Einheit: Roman (German Edition)
Autoren: John Scalzi
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offizielle Statistik der KVA geht davon aus, dass die Sterblichkeitsrate nach zehn Jahren Dienstzeit bei fünfundsiebzig Prozent liegt. Nach meiner Erfahrung ist diese offizielle Zahl zu niedrig angesetzt. Die Rekruten dürfen nach zehn Jahren aus dem Dienst ausscheiden, aber viele von uns bleiben dabei.« Denn wer will schon ein zweites Mal alt werden? , dachte Rigney, ohne es auszusprechen.
    »Mr. DiNovo«, sagte Egan und schenkte dem Diplomaten wieder ihre ungeteilte Aufmerksamkeit. »Ich glaube, Sie stammen ursprünglich von der Kolonie Rus. Stimmt das?«
    »Das stimmt«, sagte DiNovo.
    »Während der gesamten einhundertzwanzig Jahre seit Gründung der Kolonie wurde nie von Rus verlangt, der Kolonialen Union Soldaten zur Verfügung zu stellen«, sagte Egan. »Schildern Sie mir bitte, wie Rus Ihrer Ansicht nach reagieren würde, wenn die Bevölkerung des Planeten von der Kolonialen Union aufgefordert wird – aufgefordert , nicht gebeten –, der Kolonialen Verteidigungsarmee jährlich einhunderttausend Bürger zu überlassen, vor dem Hintergrund, dass am Ende der zehnjährigen Dienstzeit fünfundsiebzig Prozent der Soldaten nicht mehr am Leben sein werden. Sagen Sie mir, wie die Bewohner von Rus reagieren würden, wenn sie erfahren, dass es unter anderem ihre Aufgabe sein wird, Rebellionen auf Kolonialwelten zu unterdrücken, was erheblich häufiger geschieht, als die Koloniale Union offiziell zugibt. Wie würde es sich für die Rekruten von Rus anfühlen, wenn sie auf ihre eigenen Leute schießen sollen? Würden sie es tun? Würden Sie es tun, Mr. DiNovo? Sie sind jetzt Anfang fünfzig, Sir. Sie sind nicht mehr weit vom Rekrutierungsalter für die KVA entfernt. Wären Sie bereit, für die Koloniale Union zu kämpfen und mit recht hoher Wahrscheinlichkeit zu sterben? Denn Sie selbst sind der Vorteil , den wir gemäß Ihren eigenen Worten haben.«
    Dazu konnte DiNovo nichts mehr sagen.
    »Diesen Vortrag halte ich nun schon seit einem Monat vor Mitgliedern des diplomatischen Korps«, sagte Egan und wandte den Blick vom verstummten DiNovo ab, um sich im Saal umzuschauen. »Und jedes Mal gibt es jemanden wie Mr. DiNovo, der das Argument vorbringt, unsere Situation sei doch gar nicht so schlimm. Aber Mr. DiNovo irrt sich genauso wie die anderen. Die Koloniale Verteidigungsarmee verliert jedes Jahr eine schwindelerregende Anzahl Soldaten, und das geht schon seit über zweihundert Jahren so. Unsere in der Entwicklung begriffenen Kolonien können nicht schnell genug wachsen, um die Todesfälle allein durch Geburten auszugleichen. Die Existenz der Konklave hat die Mathematik des Überlebens der Menschheit auf eine Art und Weise verändert, die wir uns noch gar nicht vorstellen können. Die Koloniale Union konnte nur überleben und gedeihen, weil sie den unverbrauchten Überschuss an Menschen von der Erde ausgenutzt hat. Dieser Überschuss steht uns jetzt nicht mehr zur Verfügung. Und wir haben nicht genug Zeit, um auf den Welten der Kolonialen Union einen neuen Überschuss zu erzeugen.«
    »Wie schlimm sieht es also aus?«, hörte Rigney sich fragen. Er war genauso überrascht wie alle anderen, seine Stimme zu hören.
    Egan warf ihm einen kurzen Blick zu, bevor sie sich wieder dem Publikum zuwandte. »Wenn die historischen Sterblichkeitsraten in der KVA so bleiben, wie sie waren, werden wir in drei Jahren nicht mehr genug Soldaten haben, um unsere Kolonien vor Überfällen und aggressiven Genoziden durch andere Spezies zu schützen. Auf dieser Grundlage schätzen wir, dass die Koloniale Union als politische Entität nach fünf bis acht Jahren kollabieren wird. Ohne den schützenden Überbau der Kolonialen Union werden alle von Menschen besiedelten Planeten in den folgenden zwanzig Jahren Angriffen zum Opfer fallen und ausgelöscht sein. Und das heißt, meine Damen und Herren, dass der Menschheit von jetzt an gerechnet höchstens dreißig Jahre bis zur Ausrottung bleiben.«
    Im Saal wurde es totenstill.
    »All das habe ich Ihnen nicht gesagt, damit Sie nach Hause laufen und Ihre Kinder in die Arme nehmen können«, fuhr Egan fort. »Ich habe es Ihnen gesagt, weil das Außenministerium seit über zweihundert Jahren der Wurmfortsatz der Kolonialen Union ist. Ein Nachklapp zur aggressiven Verteidigungs- und Expansionsstrategie der Kolonialen Union.« Sie sah DiNovo an. »Ein nettes Ruhekissen, auf das sich Kleingeister abschieben lassen und wo sie keinen wirklichen Schaden anrichten können. Aber das alles ändert sich
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